USA: Air Force darf Pilot_innen nicht allein wegen HIV entlassen

Ein US-Bundesgericht hat eine einstweilige Verfügung gegen die Entlassung zweier HIV-positiver Piloten durch die Air Force bestätigt: Das Vorgehen der Luftwaffe missachte die wissenschaftlichen Fakten und sei willkürlich.

Die beiden Piloten mit den Pseudonymen Richard Roe und Victor Voe wurden 2017 mit HIV diagnostiziert und befinden sich seither in einer erfolgreichen antiretroviralen Therapie. Das heißt, HIV kann in ihrem Blut mit den gängigen Verfahren nicht mehr nachgewiesen werden.

Sie wurden von ihren Ärzt_innen als einsatzfähig eingestuft, Vorgesetzte und Kolleg_innen sprachen sich dafür aus, sie im Dienst zu belassen.

Zwei Gremien der Luftwaffe empfahlen hingegen ihre Entlassung (sowie die Entlassung von vier weiteren HIV-positiven Pilot_innen), weil sie nicht weltweit einsetzbar seien.

Gegen ihre Entlassung, die sie als willkürlich und irrational werteten, erwirkten Roe und Voe vor dem zuständigen Bezirksgericht eine einstweilige Verfügung, die jetzt von einem Bundesberufungsgericht bestätigt wurde:

Die Luftwaffe habe keine individuelle Prüfung der Diensttauglichkeit vorgenommen, relevante Fakten nicht berücksichtigt und die Entscheidung nicht zufriedenstellend begründet. Stattdessen habe sie lediglich auf eine Richtlinie verwiesen, die ihrerseits nicht dem Stand der Wissenschaft entspreche, so die Richter_innen.

Die Argumente der Regierung entsprechen nicht dem Stand der Wissenschaft

Das Gericht verwarf auch die in der Berufungsverhandlung von der US-Regierung vorgebrachten Argumente, dass die HIV-Behandlung hoch spezialisiert sei und die erforderlicher Tabletteneinnahme unter schwierigen Bedingungen unterbrochen werden könne oder dass Soldat_innen bei Kampfhandlungen durch HIV-haltiges Blut gefährdet werden oder Bluttransfusionen benötigen könnten.

Die HIV-Therapie sei heute eine Routinebehandlung, erklärte das Gericht, etwa drei Viertel aller Infizierten müssten täglich nur eine Tablette einnehmen. Die Tabletten seien nebenwirkungsarm, gut transportierbar und blieben auch unter extremen Bedingungen wirksam.

Mit Blick auf die angebliche Gefahr durch HIV-haltiges Blut erklärten die Richter_innen, Militärangehörige mit HIV dürften kein Blut spenden, und unter den über einer Million in Afghanistan und dem Irak eingesetzten Soldat_innen habe es in sechs Jahren keine einzige HIV-Übertragung auf diesem Weg gegeben.

Die Richtlinien des Militärs berücksichtigten also nicht den bereits bei ihrem Inkrafttreten gültigen Wissensstand, der gar nicht erhoben worden sei, und seien daher willkürlich.

Der Staat dürfe aber nicht willkürlich handeln, sondern müsse sein Handeln nachvollziehbar begründen und dabei alle relevanten Aspekte berücksichtigen.

Scott Schoettes von der Organisation Lambda Legal, die Roe und Voe bei ihrer Klage unterstützt, sagte: „Dieses Urteil macht den Weg frei, um ein vor allemal vor Gericht zu beweisen, dass ein Mensch mit HIV den Dienst als Soldat_in oder Pilot_in genauso gut und sicher ausüben kann wie jede_r andere.“

In Deutschland werden Menschen mit HIV erst seit 2017 nicht mehr vom Dienst in der Bundeswehr ausgeschlossen.

(ascho/hs; ein ausführlicherer Beitrag zum Urteil und den rechtlichen Hintergründen findet sich auf magazin.hiv)

Quellen und weitere Informationen (in englischer Sprache)

Entscheidung des Berufungsgerichts vom 10. Januar mit ausführlicher Begründung

Erklärung von Lambda Legal vom 10. Januar 2020

Übersichtsseite zum Prozess

„The Pentagon Tried to Discharge Me for Being HIV+. Today I Fight Back“ (Beitrag von Richard Roe auf advocate.com vom 18. September 2019)