Europäisches Komitee von Sexarbeiter_innen kritisiert Gesetz zur Prostitution
Das Internationale Komitee für die Rechte von Sexarbeiter_innen in Europa (ICRSE) hat am heutigen Internationalen Hurentag eine kritische Analyse zu dem sogenannten Prostituiertenschutzgesetz (ProstSchG) vorgelegt, das zum 1. Juli dieses Jahres in Deutschland in Kraft treten soll.
Bei dem „Prostituiertenschutzgesetz“ ginge es nur vorgeblich um den Schutz von Sexarbeiter_innen, sagen die Autor_innen des 28-seitigen Dokuments. Die im ProstSchG aufgeführten Maßnahmen dienten kaum dazu, sowohl Sexarbeiter_innen als auch Betroffene von Menschenhandel nachhaltig zu unterstützen.
Stattdessen würden insbesondere Sexarbeiter_innen, die gemeinsam in Wohnungen tätig sind, sowie migrantische, transidente und andere besonders vulnerable Sexarbeiter_innen durch das ProstSchG in die Illegalität gedrängt, wo sie für Unterstützung und Beratung wesentlich schlechter erreichbar wären: „Wo Schutz draufsteht, ist daher in großen Teilen schlicht ein Gesetz zur Verdrängung der Sexarbeit enthalten“, lautet das Fazit.
So schreibt das umstrittene Gesetz unter anderem allen in der Sexarbeit Tätigen vor, sich bei einer zuständigen Behörde persönlich registrieren zu lassen und sich jährlich beziehungsweise halbjährlich einer Gesundheitsberatung zu unterziehen. Darüber hinaus werden eine Erlaubnispflicht für Bordellbetreiber_innen, hohe Auflagen für Prostitutionsstätten, eine Kondompflicht für Kunden, umfassende Überwachungsbefugnisse, Kontroll- und Betretensrechte für Behörden sowie Bußgeldvorschriften eingeführt.
Fachlich fundierte Kritik am Prostituiertenschutzgesetz
Das gemeinsam vom ICRSE in Zusammenarbeit mit der Prostituierten-Organisation Hydra e.V. und dem Berufsverband erotische und sexuelle Dienstleistungen e.V. (BesD) initiierte Papier mit dem Titel „Vorgeblicher Schutz, vergebliche Maßnahmen: Überblick über das Prostituiertenschutzgesetz“ skizziert, wie sich die veränderte gesetzliche Grundlage auf Sexarbeiter_innen auswirken wird, und gibt zugleich Empfehlungen, wie diese darauf reagieren können.
Es bietet nicht nur eine kompakte Erläuterung, sondern auch fachlich fundierte Kritik an der Gesetzesnovelle, und ist nicht nur für Sexarbeiter_innen und ihre Unterstützer_innen, sondern vor allem auch für politische Entscheidungsträger_innen lesenswert. An Letztere ist besonders der 8-Punkte-Forderungskatalog gerichtet, in dem unter anderem konkrete behördliche Maßnahmen bei der Umsetzung des Gesetzes gelistet sind.
(ascho)
Quelle/weitere Informationen:
Das Papier „Vorgeblicher Schutz, Vergebliche Maßnahmen: Überblick über das Prostituiertenschutzgesetz (ProstSchG)“ steht auf der Website des RESEARCH PROJECT GERMANY als PDF zum Abruf bereit (in englischer und deutscher Version)
Bundesrat stimmt „Prostituiertenschutzgesetz“ zu, Meldung auf aidshilfe.de vom 27.11.2015
Stellungnahme der Deutschen AIDS-Hilfe zum ProstSchG vom September 2015 (PDF)
„Der richtige Weg wäre, an der Stigmatisierung zu arbeiten“, Interview mit der Sexarbeiterin Johanna Weber zum ProstSchG auf magazin.hiv
„Sie wollen keine Opfer sein“, Beitrag über die Auswirkungen des ProstSchG auf Prostituierte in der Straßensexarbeit auf magazin.hiv