Retroviruskonferenz CROI: Mäßiger Schutz vor HIV durch Vaginalring
Zwei große Studien zeigen für den Vaginalring mit dem Wirkstoff Dapivirin eine Senkung des HIV-Risikos um etwa 30 %.
Auf der Retroviruskonferenz CROI wurden gestern erste Ergebnisse vorgestellt.
An der 2012 begonnen ASPIRE-Studie des Microbicide Trial Networks (MTN) nahmen 2.629 HIV-negative Frauen aus Malawi, Südafrika, Uganda und Simbabwe teil, die von der Organisation International Partnership for Microbicides (IPM) parallel durchgeführte Ring-Studie umfasste 1.959 HIV-negative Frauen aus Südafrika und Uganda. Alle Teilnehmerinnen waren zwischen 18 und 45 Jahre alt.
In beiden Studien wurden die Frauen zufällig in zwei Gruppen eingeteilt. Die eine Gruppe bekam jeden Monat den Dapivirin-Ring, die andere einen Ring ohne den Wirkstoff, also ein Placebo. Weder den Forscher_innen noch den Teilnehmerinnen war bekannt, wer sich in welcher Gruppe befand („Doppelblind-Studie“).
Der Vaginalring ist ein flexibler Silikonring, der im hinteren Scheidengewölbe platziert und nach vier Wochen gewechselt wird. In dieser Zeit gibt der Ring nach und nach eine gleichbleibende Menge des Wirkstoffs Dapivirin ab, ein antiretrovirales Medikament, das bisher nicht in der HIV-Therapie eingesetzt wird.
In der ASPIRE-Studie wurde nach einer Beobachtungszeit von durchschnittlich 18 Monaten bei 168 Teilnehmerinnen eine HIV-Infektion festgestellt, davon waren 71 in der Dapivirin-Gruppe und 97 in der Placebo-Gruppe. Der aus diesem Unterschied errechnete Schutzeffekt beträgt 27 %. Die Ring-Studie zeigt ein ähnliches Ergebnis: Hier errechneten die Forscher_innen eine Risikoreduktion von 31 % gegenüber der Placebo-Gruppe.
Bei den etwas älteren Frauen fällt der Schutzeffekt höher aus: In der Ring-Studie liegt dieser bei den über 21-Jährigen bei 37 %, die ASPIRE-Studie zeigt für Frauen älter als 22 Jahre sogar einen Schutzeffekt von 57 %.
Wie schon in anderen Studien zur Prä-Expositions-Prophylaxe (PrEP) bei Frauen war auch in den beiden Vaginalring-Studien die Therapietreue ein Problem. Diese fiel in zwei Studienzentren der ASPIRE-Studie besonders schlecht aus. Nach deren Ausschluss konnte ein Schutzeffekt von 37 % errechnet werden.
Für die 18–21-Jährigen zeigt die ASPIRE-Studie überhaupt keine Risikoreduktion durch den Dapivirin-Ring, in der Ring-Studie liegt der Schutzeffekt für die jüngsten Teilnehmerinnen gerade mal bei 15 %. Diese hatten den Ring offenbar am wenigsten genutzt.
Insgesamt zeigten sich die Forscher_innen aber erfreut: „Zum ersten Mal gibt es zwei Studien, die zeigen, dass eine von den Frauen selbst kontrollierte Präventionsmethode dabei hilft, HIV-Infektionen zu reduzieren. Ich bin optimistisch, wenn es um die Frage geht, was diese Ergebnisse für Frauen weltweit bedeuten“, sagte Jared Baeten, der die ASPIRE-Studie gestern auf der Pressekonferenz vorstellte.
Über die Hälfte der rund 37 Millionen HIV-Infizierten weltweit sind Frauen. In den Ländern des südlichen Afrikas machen sie einen Anteil von fast 60 % der HIV-positiven Erwachsenen aus, der häufigste Übertragungsweg ist ungeschützter heterosexueller Geschlechtsverkehr. Bei jungen Frauen im Alter von 15 bis 24 Jahren ist die Wahrscheinlichkeit einer HIV-Infektion doppelt so hoch wie bei Männern dieser Altersgruppe.
Seit Jahren wird zu Präventionsmitteln geforscht, die Frauen unabhängig vom Partner einsetzen können. Die beiden auf der CROI vorgestellten Studien sind Teil des Ring-Programms der gemeinnützigen Organisation International Partnership for Microbicides (IPM), die Präventionsmethoden für Frauen entwickelt, um sie ärmeren Ländern zur Verfügung zu stellen. Eine Vereinbarung mit dem Pharma-Unternehmen Janssen garantiert IPM das weltweite Recht zur lizenzfreien Vermarktung von Dapivirin. Der Zugang zu Dapivirin-Ringen würde nach einer Zulassung daher nicht von teuren Patenten abhängen.
Zunächst aber geht die Forschung weiter: Im nächsten Schritt sollen die Frauen aus der Placebo-Gruppe in den Dapivirin-Arm aufgenommen werden. Die Hoffnung dabei ist, dass die Therapietreue steigt, wenn die Teilnehmerinnen wissen, dass sie den Ring mit dem Wirkstoff erhalten.
Am Mittwoch werden die beiden Vaginalring-Studien in einem eigenen Fachpodium auf der CROI noch mal ausführlicher vorgestellt.
(Christina Laußmann)
Pressemitteilung der Organisation IPM
Die Ergebnisse der ASPIRE-Studie im New England Journal of Medicine