Russisches LGBT-Projekt „Kinder 404“ vor dem Aus?

Die russische Journalistin Elena Klimowa soll wegen „Propagierens von nichttraditionellen sexuellen Beziehungen“ circa 650 Euro Strafe zahlen.

Klimowa will Rechtsmittel gegen die Verurteilung einlegen. Amnesty International ruft darüber hinaus zum Protest gegen das Urteil beim Staatsanwalt des Oblasts Swerdlowsk auf: Obwohl Klimowas Rechtsbeistand krank gewesen sei, habe die Richterin das Verfahren nicht vertagt und außerdem die Anhörung einer zweiten Expertenmeinung abgelehnt.

Amnesty fordert, Elena Klimova nicht weiter strafrechtlich zu verfolgen, Drangsalierungen gegen das Projekt „Kinder 404“ einzustellen und keine Anklagen auf Grundlage des „Gesetzes gegen Homo-Popaganda“ mehr zu erheben. Die Schweizer Amnesty-Sektion hat dazu eine deutschsprachige Online-Aktion gestartet.

„Kinder 404“ bietet lesbischen, schwulen, bisexuellen und Trans*-Jugendlichen, von denen sich viele isoliert fühlen oder mit Suizidgedanken quälen, ein Forum für den Austausch. Das Projekt ist in Russland einzigartig, zumal andere Formen der Unterstützung fast immer fehlen.

Im Februar 2014 war Klimowa nach einem ähnlichen Verfahren noch vom Vorwurf der „Homo-Propaganda“ freigesprochen worden. Geklagt hatte der homophobe Politiker Witaliy Milonow, Mitautor des St. Petersburger Gesetzes gegen „Homo-Propaganda“.

Dennoch erhob die Moskauer Medienaufsichtsbehörde Roskomnadzor im November 2014 erneut Klage und berief sich dabei auf 130 Beschwerdebriefe über „Kinder 404“. Die Behörde behauptete, die Informationen auf der Internetseite des Projekts könnten „bei Kindern den Eindruck vermitteln, dass es ein Zeichen von Mut, Stärke, Selbstbewusstsein und Selbstrespekt sei, wenn man homosexuell ist“ – dies könne eine „positive Einstellung zu nichttraditionellen sexuellen Beziehungen“ bewirken.

Die Zukunft der Website ist laut der Organisation Quarteera noch ungewiss.

(hs)

 

Muster für deutsche Protestbriefe

Anrede,

mit großer Sorge habe ich erfahren, dass die Journalistin Elena Klimova wegen „Propagierens von nichttraditionellen sexuellen Beziehungen“ schuldig gesprochen worden ist.

Es besorgt mich sehr, dass man ihr Recht auf ein faires Verfahren verletzt hat.

Ich bitte Sie eindringlich, Elena Klimova nicht weiter in Verbindung mit ihrem Onlineprojekt „Children 404“ strafrechtlich zu verfolgen und die Drangsalierungen gegen das Projekt einzustellen.

Erheben Sie bitte keine Anklagen auf Grundlage des „Propagandagesetzes“ mehr und stellen Sie sicher, dass jeder Mensch in Russland seine Rechte auf Meinungs-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit wahrnehmen kann.

Mit freundlichen Grüßen

 

An:

Staatsanwalt der Region Swerdlowsk
Sergei Alekseevich Ohlopkov
620219 Eekaterinburg GSP-1036
ul. Moskovskaia, 21
RUSSISCHE FÖDERATION
Fax: (00 7) 343 377 02 41
E-Mail: sverdloblprokuratura@mail.ru
Anrede: Sehr geehrter Herr Staatsanwalt

 

Alexander Aleksandrovich Zharov
109074 Moskau
Kitaigorodskii pr., d.7, str.2
RUSSISCHE FÖDERATION
Fax: (00 7) 495 987 68 01
E-Mail: rsoc_in@rkn.gov.ru
Twitter: @roscomnadzor
Anrede: Sehr geehrter Herr Aleksandrovich Zharov

 

Kopien an:

Ombudsperson für die Region Swerdlowsk
Tatiana Georgievna Merzliakova
620031 Ekaterinburg
pl. Oktiabrskaya, 1
RUSSISCHE FÖDERATION
Fax: (00 7) 845 227 90 75 oder (00 7) 343 217 88 72
E-Mail: ombudsman@midural.ru oder pravachel66@yandex.ru

 

Quellen/weitere Informationen

„Russland: LGBTI-Aktivistin in Frieden lassen“ (Urgent Action von Amnesty International, Kampagne bis 13.3.2015)

Englischsprachige Infos zur Aktion auf amnesty.org (PDF-Datei)

Artikel der Organisation Quarteera

Homepage und Facebook-Seite von Kinder 404 (in russischer Sprache)

„Die anti-homosexuelle Politik soll von anderen Problemen ablenken“ (Beitrag auf magazin.hiv vom 05.02.2014)

„Schweigt und verschwindet! Homosexuelle in Russland: Was denkt die Gesellschaft?“ (Artikel auf zeit.de vom 22.08.2013)