Ukraine: HIV- und Hepatitis-Infizierte fühlen sich zum Tode verurteilt
Die Finanzierung von HIV- und Hepatitis-Medikamenten ist im aktuellen Staatshaushalt nicht vorgesehen.
Mit einer eindrucksvollen Aktion protestierten gestern rund 100 Menschen vor dem Regierungssitz in Kiew: Sie zeigten sich den Abgeordneten mit Stricken um den Hals und weißen Kapuzen über dem Kopf als Delinquenten. Der Protest richtet sich gegen die katastrophale Unterversorgung von Patienten, die auf HIV- und Hepatitis-Medikamente angewiesen sind. Deren Finanzierung ist im aktuellen Staatshaushalt nicht mehr vorgesehen.
„Diese Krankheiten bringen dieses Land nicht nur um seine Gegenwart, sondern auch um seine Zukunft!“, erklärte Volodymyr Zhovtyak, Leiter des ukrainischen HIV-Netzwerkes. Die Ukraine gilt als das von HIV und Aids am schwersten betroffene Land Europas. Die Infektionsrate in der erwachsenen Bevölkerung (im Alter von 15-49 Jahren) wird auf 1,1 Prozent geschätzt. Die Neuinfektionsrate steigt laut dem Staatlichem AIDS-Zentrum der Ukraine derzeit jährlich um 10 Prozent.
Staatspräsident Viktor Janukowitsch hatte zwar angekündigt, den Haushalt dahingehend überprüfen zu lassen, ob die Mittel für den Import lebensnotwendiger Medikamente doch noch bereitgestellt werden könnten. Das Ministerkabinett hatte allerdings eine entsprechende Anfrage aus dem Gesundheitsministerium bislang ignoriert. Eine Entscheidung, die in diesem Jahr 44 000 Menschen in der Ukraine das Leben kosten wird, klagt das Ukrainian Community Advisory Board, das zu der Protestveranstaltung aufgerufen hatte.
Die französische Botschaft in der Ukraine hat unterdessen angeboten, das Land im Kampf gegen HIV/Aids zur Seite zu stehen. „Die aktuelle Situation in der Ukraine mit HIV/Aids erinnert an die Situation, wie sie in Frankreich vor mehr als zehn Jahren herrschte. Durch ihre Programme möchte die Botschaft von Frankreich der Ukraine helfen, diese zehn Jahre Rückstand, den wir heute hier sehen, aufzuholen“, erklärte Botschafter Alain Remy.
Auch die Deutsche AIDS-Hilfe engagiert sich seit vielen Jahren in Projektpartnerschaften in der Ukraine und anderen osteuropäischen Staaten, zuletzt zum Beispiel mit einem Social-Media-Training für Aktivisten, die sich gegen die aktuelle Gesundheitspolitik einsetzen.
2011 hatten nach Angaben von UNAIDS weniger als 40 Prozent der HIV-positiven Ukrainer Zugang zu einer anti-retroviralen Therapie. Das Land lag damit im internationalen Vergleich lediglich vor Bolivien, Pakistan und dem Iran. Neben der Versorgung der Menschen mit HIV liegt auch die Aufklärung über die Krankheit im Argen. Derzeit gebe es „absolut null“ öffentliche Mittel für HIV-Prävention, sagte Andrei Klepikov von der ukrainischen Aids-Allianz in einem BBC-Interview.
(sho)
Weiterführende Links:
Studie zur Ukraine: Diskriminierung von Menschen mit HIV weit verbreitet (aidshilfe.de, 18.4.2011)
DAH-protestiert gegen Beschlagnahmung von Präventionsmaterial in der Ukraine (aidshilfe.de, 18.10.2010)