DAH fordert Union im Bundestag auf: Hinhaltetaktik bei der heroingestützten Behandlung endlich aufgeben
Berlin (27.02.2009). Seit Jahren weigert sich die CDU/CSU-Bundestagsfraktion, das Betäubungsmittelgesetz (BtmG) zu ändern, um die Behandlung schwerstabhängiger Heroinkonsumenten mit Diamorphin (= medizinisch kontrolliertem Heroin) im Rahmen der bundesweiten Regelversorgung zu ermöglichen.
Sie steht damit allein auf weiter Flur und stellt sich gegen die Erkenntnisse aus Wissenschaft und Praxis. Die Ergebnisse der bisherigen Studien jedenfalls sind eindeutig: Die mit Diamorphin behandelten Studienteilnehmer verzeichnen eine gesundheitliche Stabilisierung, die sie mit der gängigen Behandlung mit Ersatzstoffen (Substitution) häufig nicht erreichen. Dies ermöglicht ihnen ein Leben ohne Beschaffungskriminalität sowie die Reintegration in die Gesellschaft und oft auch in den Arbeitsmarkt.
Wurde ein erster fraktionsübergreifender Gesetzentwurf von Abgeordneten der FDP, von Bündnis90/Die Grünen und der Linkspartei noch dadurch blockiert, dass die SPD-Bundestagsfraktion wider besseres Wissen Koalitionstreue bewies, so scheint nun der Weg frei für eine Veränderung des BtmG: Initiiert durch Abgeordnete der SPD-Bundestagsfraktion, haben mehr als 250 Mitglieder des Bundestages einen entsprechenden Gruppenantrag in das Parlament eingebracht.
"Die Union sieht offenbar ihre Felle davonschwimmen", erläutert Dirk Schäffer, Drogenreferent der Deutschen AIDS-Hilfe e.V. (DAH): "In einem Entschließungsantrag will sie nun plötzlich den Kompromiss anbieten, die bisherigen Modellprojekte durch den Bund unter anderen, strikteren Bedingungen weiter zu fördern. Zugleich lehnt sie aber eine gesetzliche Regelung vor Ablauf dieser Modellprojekte klar ab."
Dieser Vorschlag, so Schäffer, diene offenbar nur dazu, bis zur nächsten Bundestagswahl Zeit zu gewinnen und eine Änderung des BtmG zu verhindern. Eine Lösung für die behandlungsbedürftigen Drogengebraucher sei dies jedenfalls nicht: "Außerhalb der Städte mit Modellprojekten gäbe es keine Versorgung, und in den Städten mit solchen Projekten müssten die Kosten von den Kommunen getragen werden."
In ersten Reaktionen haben sich bereits Vertreter aus einigen CDU-regierten Bundesländern klar gegen den Entschließungsantrag und für eine Gesetzesänderung ausgesprochen. Die DAH ermutigt daher insbesondere den Koalitionspartner SPD, den eingeschlagenen Weg nicht mehr zu verlassen und eine Regelversorgung mit Heroin zu erwirken.
"Es gilt nun, den fachlichen und ethischen Argumenten den Vorrang vor der Aufrechterhaltung der Koalitionsdisziplin zu geben", fordert Sylvia Urban vom Bundesvorstand der DAH: "Viele tausend Heroinkonsumenten werden von der Übernahme der Diamorphin-Behandlung in die kassenfinanzierte Regelversorgung profitieren. Die heroingestützte Behandlung braucht endlich eine gesetzliche Grundlage."
Weitere Informationen:
Dirk Schäffer
Referent Drogen und Strafvollzug
Tel.: 030 / 690087-56
E-Mail: dirk.schaeffer@dah.aidshilfe.de