Rascher Zugang zum Gesundheitssystem für irreguläre Zuwanderer verringert Kosten

In mehreren Ländern Europas steht Menschen ohne Papiere nur eine Notversorgung zu. Laut einer nun veröffentlichten Studie der EU-Agentur für Grundrechte (FRA) ist das aber keineswegs günstiger.

Die neuen Forschungsarbeiten ließen vielmehr darauf schließen, „dass die Mitgliedstaaten weniger für die Gesundheit von Migranten ausgeben müssten, wenn sie früher behandelt statt später notversorgt würden“, so die FRA.

In Deutschland beispielsweise haben Asylsuchende nur bei akuter Krankheit und bei Schmerzen Anspruch auf medizinische Behandlung. Sonstige Behandlungen - vor allem bei chronischen Erkrankungen oder Behinderungen - „können“ nach § 6 Asylbewerberleistungsgesetz als Ermessensleistungen gewährt werden, soweit dies „zur Sicherung der Gesundheit unerlässlich“ ist. Erst nach längerem Aufenthalt in Deutschland – derzeit 15 Monate – können sie die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung in vollem Umfang beanspruchen.  

Für die FRA-Studie wurde die Situation irregulärer Migranten in Deutschland, Griechenland und Schweden im Hinblick auf zwei der gängigsten Gesundheitsthemen untersucht: Bluthochdruck und Schwangerschaftsvorsorge. Sie kam zu dem Ergebnis, dass eine Regelversorgung bei Hochdruckpatienten innerhalb eines Jahres zu Einsparungen von rund 9 % führen würde; diese würden im Laufe eines Lebens auf 16 % steigen. Außerdem könnten auf diese Weise mehr als 300 Schlaganfälle und über 200 Herzinfarkte je 1.000 Migranten in jedem Land verhindert werden. Durch eine bessere Schwangerschaftsvorsorge könnten in Deutschland und Griechenland innerhalb von zwei Jahren bis zu 48 % und in Schweden sogar 69 % der Kosten eingespart werden.

Eine im Juli 2015 veröffentlichte Untersuchung der Fakultät für Gesundheitswissenschaften der Universität Bielefeld und der Abteilung Allgemeinmedizin und Versorgungsforschung am Universitätsklinikum Heidelberg kommt zu einem ähnlichen Schluss wie die FRA-Studie: Die bisherigen Regelungen seien nicht nur ethisch umstritten, sondern auch wirtschaftlich unsinnig. „Unsere Studie belegt, dass eine bundesweite Umsetzung des Bremer Modells, bei dem seit 2005 bürokratische Hürden abgebaut wurden, nicht zwingend mit Mehrkosten verbunden sein muss“, betont Ko-Autor Professor Dr. Oliver Razum. Werde Asylsuchenden nur ein eingeschränkter Zugang zum Gesundheitssystem gewährt, sei dies langfristig sogar rund 40 % teurer als eine medizinische Regelversorgung.

(sho)

Quellen:

Studie der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (in Englisch)

Untersuchung der Fakultät für Gesundheitswissenschaften der Universität Bielefeld und der Abteilung Allgemeinmedizin und Versorgungsforschung am Universitätsklinikum Heidelberg