Privatunternehmen erhält Zuschlag für die Unabhängige Patientenberatung

Der Telefondienstleister Sanvartis wird neuer Träger der Unabhängigen Patientenberatung Deutschland (UPD). Das gaben das Bundesministerium für Gesundheit und der GKV-Spitzenverband am Montag bekannt.

Seit 2006 wird die UPD  von einem Bündnis gemeinnütziger Verbände organisiert. Ab Januar 2016 werden die Aufgaben von dem Duisburger Callcenter-Betreiber übernommen.

Die Vergabe an ein privates Unternehmen, das auch für Krankenkassen und Pharma-Firmen tätig ist, trifft auf große Bedenken, was seine Unabhängigkeit angeht. Scharfe Kritik kommt sowohl aus den Bundestagsfraktionen der Linken und Grünen als auch vom Präsidenten der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery. Offensichtlich wolle der GKV-Spitzenverband „sich die lästigen, aber objektiven Kritiker der UPD vom Hals halten und dafür einem krankenkassennahen Dienstleister den Zuschlag geben“, wird Montgomery vom Deutschen Ärzteblatt zitiert. So würden von den rund 80.000 Beschwerden, die bei der UPD jährlich eingehen, rund 28.000 die Krankenkassen betreffen.

Der Paritätische Gesamtverband hat die Entscheidung ebenfalls deutlich kritisiert: „Nach dem Verständnis des Paritätischen gehöre eine unabhängige Patientenberatung selbstverständlich institutionell in die Hände der Betroffenen und ihrer Zusammenschlüsse. Patientenschutz und Patientenberatung seien eine Aufgabe von Staat und Zivilgesellschaft“, heißt es in der Pressemitteilung.

Die Deutsche AIDS-Hilfe (DAH), die Mitglied im Paritätischen ist, schließt sich der Kritik an: „Für Menschen mit HIV, die verstärkt Diskriminierung ausgesetzt sind, hat die Unabhängige Patientenberatung eine ganz besondere Bedeutung“, sagt Silke Eggers, DAH-Referentin für Soziale Sicherung und Versorgung. „Die Zusammenarbeit mit den fachlich versierten Kolleginnen und Kollegen, die auch die nötige Sensibilität gegenüber den besonderen Belangen von HIV-Positiven mitbringen, hat sich bewährt. Mit dem neuen Anbieter werden diese wichtigen Strukturen und Kompetenzen leider verloren gehen.“

Der Patientenbeauftragte der Bundesregierung, Karl-Josef Laumann (CDU), hingegen verteidigt die Vergabe an Sanvartis. Das Unternehmen habe in seinem Angebot die Unabhängigkeit seiner Arbeit bekräftigt, sagt er. Zudem sollen die Mitarbeiter bei einer eigens gegründeten gemeinnützigen GmbH angestellt werden, und der Beirat werde Weisungsrechte gegenüber der UPD erhalten. Des Weiteren soll ein Auditor künftig die Unabhängigkeit überwachen. Allerdings habe sich Laumann „noch keine Gedanken gemacht“, wie dieser Posten besetzt werden soll, so das Ärzteblatt.

Derweil haben zwei Mitglieder des UPD-Beirats ihren Austritt aus dem Gremium bekanntgegeben: Marie-Luise Dierks von der Medizinischen Hochschule Hannover und Rolf Rosenbrock vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung und Paritätischen Gesamtverband hatten bereits während des Vergabeverfahrens die sich abzeichnende Entscheidung kritisiert. „Neben all den geäußerten Einwänden und Bedenken gegenüber dem Angebot der Sanvartis GmbH vor allem im Hinblick auf Beratungsqualität, regionale Zugänglichkeit und Zielgruppenorientierung sind wir nach wie vor der Auffassung, dass das ausgewählte Unternehmen den gesetzlich geforderten Nachweis der Neutralität und Unabhängigkeit nicht erbracht hat“, schreiben sie in ihrer Rücktrittserklärung.

Die UPD wurde 2006 als bundesweites Modellprojekt aufgebaut. Seitdem sind der Sozialverband VdK Deutschland, der Bundesverband Verbraucherzentralen und der Verbund unabhängige Patientenberatung Träger der gemeinnützigen GmbH. Sie berät zum Beispiel zu Patientenrechten, bei Fragen zu Erstattungsleistungen und gesetzlichen Regelungen, zu Behandlungsmöglichkeiten sowie bei Konflikten mit Ärzten und Krankenkassen. Die Trägerschaft war vom Bund turnusmäßig neu ausgeschrieben worden, sie gilt ab dem 1. Januar 2016 für sieben Jahre und wird mit 63 Millionen Euro gefördert.

(Christina Laußmann)

Quelle/weitere Informationen:

Gemeinsame Pressemitteilung des Patientenebauftragten der Bundesregierung und des GKV-Spitzenverbands

Bericht im Deutschen Ärzteblatt

„Ein Fels in der Brandung statt ein Fähnlein im Wind!“ – Interview mit Dirk Meyer, Patientenbeauftragter Nordrhein-Westfalen, auf magazin.hiv