Meningokokken-Impfempfehlung für schwule Männer in Berlin: Wichtige Infos
Der Berliner Impfbeirat rät allen in Berlin lebenden Männern, die Sex mit Männern haben, zu einer Meningokokken-Impfung. Die Umsetzung dieser Empfehlungen wirft Fragen auf, von denen wir die wichtigsten hier beantworten.
Seit Oktober 2012 wurden in Berlin fünf schwere Fälle von Meningokokken-Erkrankungen bei schwulen Männern registriert. Meningokokken-Bakterien können Hirnhautentzündung (Meningitis) und Blutvergiftung hervorrufen und im schlimmsten Falle innerhalb weniger Stunden zum Tod führen. Drei der infizierten Männer sind bereits verstorben, einer liegt im Koma.
Um eine mögliche Ausbreitung innerhalb der schwulen Szene zu verhindern, hat die Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales eine Impfempfehlung für alle in Berlin lebenden Männer veröffentlicht, die Sex mit Männern haben (MSM; aidshilfe.de berichtete). Die Impfempfehlung ist seit 27. Juli in Kraft und gilt zunächst bis zum 31. Januar 2014.
Hier Antworten auf häufig gestellte Fragen:
Wie werden Meningokokken übertragen?
Meningokokken-Bakterien können durch Schleimhautkontakte wie Zungenküsse und über Tröpfcheninfektionen aus unmittelbarer Nähe, zum Bespiel durch Anhusten, weitergegeben werden.
Auch eine sexuelle Übertragung ist möglich, zum Beispiel beim Oralverkehr, beim Analverkehr ohne Kondom oder wenn Speichel als Gleitmittel verwendet wird. Die gemeinsame Verwendung von Röhrchen zum Sniefen von Drogen kann ebenfalls ein Übertragungsweg sein.
Auf welche Symptome muss ich achten?
Zwischen Infektion und Erkrankungen können zwei bis zehn Tage liegen. Charakteristische Symptome sind ein schweres Krankheitsgefühl, Fieber, Übelkeit, Erbrechen und Schüttelfrost. Die Gefahr der Verwechslung mit einer Grippe ist groß.
Die Hirnhautentzündung macht sich unter anderem durch Nackensteifigkeit, Schläfrigkeit, Überempfindlichkeit der Augen gegenüber Licht, Geräuschüberempfindlichkeit, Krampfanfälle und Kopfschmerzen bemerkbar. In diesem Falle sollte umgehend ein Arzt oder eine Rettungsstelle aufgesucht und auf die Möglichkeit einer Meningokokken-Erkrankung hingewiesen werden!
Warum sollte ich mich impfen lassen?
Die Impfung verhindert nicht nur die Erkrankung, sondern auch die Besiedlung der Schleimhäute mit Meningokokken. Damit sind auch andere, zum Beispiel nicht geimpfte Freunde und Sexualpartner, besser geschützt.
Eine einmalige Impfung schützt gegen die unter Schwulen und anderen MSM gehäuft aufgetretene Infektion mit der Serogruppe C und deckt zudem noch weitere Serogruppen ab. Es sind mehrere Meningokokken-Impfstoffe auf dem Markt. Empfohlen werden die Präparate Nimenrix® und Menveo®. Nähere Erläuterungen dazu finden Sie hier.
Voller Impfschutz besteht in der Regel zehn Tage nach der Impfung.
Welche Nebenwirkungen hat die Impfung?
Die Impfung wird im Allgemeinen gut vertragen, es kann allerdings zu milden Nebenwirkungen kommen, zum Beispiel zu Kopfschmerzen, Reizbarkeit und Übelkeit, Schwellung, Schmerzen bzw. Rötung an der Einstichstelle, Fieber, Schläfrigkeit, Appetitlosigkeit und Magen-Darm-Beschwerden.
Ist die Impfung für HIV-Positive riskant?
Der Impfstoff enthält inaktive Bakterienbestandteile, es handelt sich nicht um einen Lebendimpfstoff. Die Anwendung ist daher auch bei HIV-Positiven bzw. Immungeschwächten problemlos möglich. Wie bei anderen Impfungen auch kann bei schlechtem Immunstatus (< 200 T4-Zellen/μl) die Immunantwort schwächer ausfallen.
Wer übernimmt die Kosten der Impfung?
HIV-Positive und andere Menschen mit angeborenen oder erworbenen Immundefekten sowie Jugendliche bis zum Alter von 18 Jahren erhalten die Impfung kostenlos gegen Vorlage ihrer Krankenversicherungskarte.
Nichtpositive bzw. ungetestete schwule und andere MSM bekommen in der Arztpraxis ein Privatrezept für den Impfstoff und eine Rechnung für die Impfleistung.
Alle gesetzlichen Krankenkassen haben bereits die Bereitschaft signalisiert, im Rahmen ihrer Einzelfallhoheit eine Erstattung der ausgelegten Kosten zu prüfen.
Eine Kostenerstattung bei privat Krankenversicherten ist abhängig von den individuellen Krankenversicherungsbedingungen.
Erfährt durch die Impfung meine Krankenkasse nun automatisch, dass ich schwul bin?
Wer sich die Kosten für die Impfung von der Kasse erstatten lassen möchte, muss notgedrungen auf die Impfempfehlung für Schwule bzw. MSM verweisen. Wer dies vermeiden möchte, muss die Kosten selbst tragen.
Anders sieht es hingegen aus, wer eine Reise in ein Land mit generell erhöhtem Meningokokken-Risiko plant. Denn auch dafür besteht eine Impfempfehlung. Dies betrifft zum Beispiel weite Gebiete des tropischen Afrikas, Indiens und Südost-Asiens. Die Kosten dafür werden von vielen Krankenversicherungen problemlos übernommen. Eine aktuelle Liste dazu führt das CRM Centrum für Reisemedizin auf seiner Internetseite http://www.crm.de/krankenkassen/kk_tabelle_kassen.htm.
Kann ich mich auch anonym impfen lassen?
Ideal wäre für Nichtversicherte wie auch für Männer, die sich gerne anonym impfen lassen möchten, dass Impfungen in szenenahen Projekten angeboten werden. Entsprechende Bestrebungen laufen bereits, ob und wann diese Impfangebote realisiert werden, ist aber ungewiss.
Wer Scheu hat, sich gegenüber dem Hausarzt als schwul zu outen, kann die Impfung auch bei einem anderen Arzt seiner Wahl durchführen lassen. Einrichtungen wie die Berliner AIDS-Hilfe, die Beratungsstelle für HIV, Aids und Hepatitis "Pluspunkt Berlin" bzw. die Schwulenberatung Berlin helfen dabei, eine schwulenfreundliche Praxis in der Nähe zu finden.
(sho)
Ausführliche medizinische Informationen zum Thema Meningokokken bei Schwulen und anderen MSM sowie zur Impfung liefert der DAH HIV.Report 03/2013.
Für weitergehende Fragen steht zudem die anonyme Beratungshotline (erreichbar täglich 12-22 Uhr unter 030-19 4 11) zur Verfügung.