Intersexualität ist keine Krankheit

Die bislang gängige Praxis, bei intersexuellen Kindern das Geschlecht durch einen medizinischen Eingriff festzulegen, verstößt gegen das Menschenrecht auf körperliche Unversehrtheit und soll daher unterbunden werden.

Zu diesem einhelligen Votum kamen am Montag sowohl medizinische und juristische Experten als auch Vertreter von Selbsthilfeorganisationen. Sie waren zu einer öffentlichen Anhörung im Familienausschuss des Bundestages geladen worden, um die Stellungnahme des Deutschen Ethikrates zum Thema Intersexualität zu erörtern.

Hintergrund der Diskussion ist ein Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, die einen verbesserten Schutz der Grundrechte intersexueller Menschen einforderten.

Jörg Woweries, Facharzt für Kinderheilkunde und Jugendmedizin, wies darauf hin, dass es keinerlei medizinischen Beweis dafür gebe, dass eine Operation zur Geschlechtsfestlegung bei Kleinkindern ungefährlicher oder erfolgversprechender als bei einem Erwachsenen sei.

Operative Eingriffe seien in allen Fällen mit einem „hohen Risiko“ behaftet und stellen einen tiefen Eingriff in die Persönlichkeit eines Menschen dar. In jedem Fall müsse vor jeder Operation eine neutrale Beratung stattfinden.

Lucie Veith, Vorsitzende des Vereins Intersexuelle Menschen, erklärte, dass weder Eltern, Ärzte, Psychologen noch ein Parlament das Recht hätten, das Geschlecht eines Menschen zwangsweise festlegen zu lassen. 

Die Rechtswissenschaftlerin Konstanze Plett von der Universität Bremen regte an, dass ein körperlicher Eingriff mit einer solchen Tragweite erst durchgeführt werden dürfe, wenn sich das Kind dazu unzweifelhaft selbst äußern könne.

Dabei müsse allerdings sichergestellt werden, zum Beispiel durch ein Familiengericht, dass die Entscheidung des Kindes für das eine oder andere Geschlecht ohne Beeinflussung von außen, etwa durch die Eltern, getroffen worden sei.

Michael Wunder von der Evangelischen Stiftung Alsterdorf in Hamburg und Mitglied im Deutschen Ethikrat sprach sich für ein drittes Geschlecht aus. Neben den Eintragungen „männlich“ und „weiblich“  soll im Personalausweis auch die Eintragung „anderes“ möglich sein.

Jörg Woweries regte gar an, auf eine Geschlechtsfestlegung im Personenstandsrecht bis zur Volljährigkeit gänzlich zu verzichten.

(sho)

Link zum Videomitschnitt der Anhörung

Link zum Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

Link zur Stellungnahme des Deutschen Ehtikrates