HIV-Behandlung: „Quad-Pille“ in Sicht
HIV-Therapie mit nur einer Tablette pro Tag? Bislang bietet nur das Kombinationspräparat Atripla® diese Möglichkeit. Die nächste „HIV-Therapie in einer Pille“ steht aber schon in den Startlöchern.
Im Fachblatt AIDS vom 27. März 2011 berichten Forscher von der erfolgreich abgeschlossenen vorletzten Studienphase der sogenannten Quad-Pille. Diese besteht aus vier Substanzen, gleich zwei davon sind neu. Der neue Integrase-Inhibitor Elvitegravir muss im Vergleich zum einzigen bereits zugelassenen Integrase-Inhibitor Raltegravir nur einmal täglich eingenommen werden. Wie auch Raltegravir bewirkt Elvitegravir eine besonders rasche Senkung der Viruslast nach Beginn der Therapie.
Darüber hinaus enthält die Quad-Pille mit Cobicistat einen neuen Booster (Wirkverstärker). Der Booster wirkt selbst nicht gegen HIV, verhindert aber einen zu schnellen Abbau der eigentlichen Wirksubstanz Elvitegravir. „Boosten“ ist in der HIV-Therapie gebräuchlich – praktisch alle Protease-Inhibitoren müssen geboostet werden. Bislang ist allerdings nur ein Booster namens Ritonavir (Handelsname Norvir®) auf dem Markt. Die Herstellerfirma Abbott hatte ihn mehrere Jahre lang nur für ihren eigenen Protease-Inhibitor Kaletra® als komfortable Tablette angeboten. Die Konkurrenz musste bis Februar 2010 noch auf Ritonavir-Kapseln zurückgreifen, die gekühlt werden mussten. Für Kinder wird Ritonavir als Saft angeboten, der jedoch grässlich schmeckt, als Tablette steht die Substanz nur in einer Dosierung von 100 mg zur Verfügung – zu viel für kleine Kinder. Die neue Konkurrenz tut dem Marktgeschehen im Interesse der Patienten also sicherlich gut.
Die anderen beiden Bestandteile der Quad-Pille sind die alten Bekannten Tenofovir (Viread®) und Emtricitabin (Emtriva®).
In der Phase-2-Studie wurde die Quad-Pille gegen Atripla® getestet. Atripla® enthält neben Tenofovir und Emtricitabin auch Efavirenz. Efavirenz (Handelsname Sustiva® oder Stocrin®) ist für unangenehme Nebenwirkungen wie Schwindel, Schlafstörungen oder erhöhte Suizidneigung bekannt. Außerdem sollte es bei jungen Frauen mit Kinderwunsch nicht eingesetzt werden.
Die Quad-Pille hat – wie erwartet – weniger Nebenwirkungen als Atripla® bei vergleichbarer sehr guter Wirkung.
Wann kommt die Quad-Pille? Noch ist es nicht so weit. Zur Zulassung bedarf es erst einer größeren Phase-3-Studie. Diese läuft bereits und sollte eigentlich Ende 2011 nach Ablauf von 48 Studienwochen abgeschlossen sein. Die Studiendauer wurde jedoch im Januar 2011 auf Empfehlung der US-amerikanischen Food and Drug Administration (FDA) auf 96 Wochen verlängert, um Langzeitnebenwirkungen besser erfassen zu können – schließlich enthält die Pille gleich zwei neue Substanzen auf einmal. Wenn alles gut geht, könnte die Quad-Pille dann 2013 zugelassen werden.
(Armin Schafberger)
Quelle
Cohen, C. et al.: Randomized, phase 2 evaluation of two single-tablet regimens elvitegravir/cobicistat/emtricitabine/tenofovir disoproxil fumarate versus efavirenz/emtricitabine/tenofovir disoproxil fumarate for the initial treatment of HIV infection. In: AIDS, 25(6): F7–F12, 27. März 2011 (doi: 10.1097/QAD.0b013e328345766f)