Deutsche AIDS-Hilfe zur Diskussion über HIV-Zwangstests in Sachsen-Anhalt
Zu missverständlichen Medienberichten über geplante HIV-Zwangstests in Sachsen-Anhalt erklärt die Deutsche AIDS-Hilfe:
Anders als teilweise berichtet und vermutet, plant die Landesregierung von Sachsen-Anhalt keine allgemeinen HIV-Zwangstests für besonders stark von HIV betroffene Gruppen (in Medienberichten teilweise „Risikogruppen“ genannt).
Korrekt ist: Im „Gesetz über die Sicherheit und Ordnung“ des Bundeslandes soll die Möglichkeit festgeschrieben werden, unter bestimmten Bedingungen HIV- und Hepatitis-Tests gegen den Willen Betroffener anzuordnen, wenn Personen einer möglichen Infektionsgefahr ausgesetzt waren. Konkret geht es dabei vor allem um „Polizeivollzugskräfte und Rettungshelfer (…), wenn sie sich zum Beispiel an Spritzen verletzen oder eigene offene Wunden mit Körperflüssigkeiten eines Festzunehmenden oder Unfallopfers in Berührung kommen (…).“
Die Deutsche AIDS-Hilfe lehnt diesen Gesetzentwurf ab. Dazu sagt Carsten Schatz, Mitglied im Vorstand der Deutschen AIDS-Hilfe:
„Ein solches Gesetz wäre völlig unverhältnismäßig, denn es würde die Grundrechte auf körperliche Unversehrtheit und informationelle Selbstbestimmung verletzen. Aus guten Gründen dürfen in Deutschland medizinische Tests nur mit Einwilligung der Betroffenen durchgeführt werden. Ohne Einverständnis ist ein HIV-Test nach geltendem Recht Körperverletzung. Das geplante Gesetz in Sachsen-Anhalt ist zudem fachlich unsinnig. Hier sollen aufgrund irrationaler Einschätzungen Grundrechte außer Kraft gesetzt werden!“
Ein Infektionsrisiko entsteht in den geschilderten Situationen nur extrem selten. HIV ist schwer übertragbar und wird durch Bissverletzungen nie, durch Stichverletzungen nur in Ausnahmefällen übertragen. Laut Robert Koch-Institut sind HIV-Übertragungen auf den genannten Wegen „extrem selten“.
Auch die Bundesregierung sieht die geplante Gesetzesänderung in Sachsen-Anhalt als „unverhältnismäßig“, weil Grundrechte verletzt würden.
Sollte tatsächlich einmal ein Risiko bestanden haben, gibt es wirksame Sofortmaßnahmen gegen eine HIV-Infektion, die auch ohne einen HIV-Test eingeleitet werden können (siehe Pressemitteilung vom 16.7.2012) Ein HIV-Test liefert zudem erst nach drei Monaten ein sicheres Ergebnis.
Schatz weiter: „Ganze Menschengruppen wie schwule Männer, Drogenkonsumenten pauschal als ,Risikogruppen’ zu brandmarken erinnert an die Hardliner-Rhetorik der 80er-Jahre, die wir in Deutschland eigentlich zum Glück weit hinter uns gelassen haben. Sie grenzt Menschen aus und ist Teil des Problems, nicht Teil der Lösung. Diskriminierung tötet, unter anderem weil sie vom HIV-Test und einer Therapie abhalten kann. Es ist besonders bedauerlich, dass solche Berichte ausgerechnet am Vortag des Welt-Aids-Tages erscheinen, dem Tag der Solidarität!“
Die „Mitteldeutsche Zeitung“ hatte am Donnerstag geschrieben: „In Sachsen-Anhalt sollten künftig ,Zwangstests auf Hepatitis und HIV-Infektionen bei sogenannten Risikogruppen möglich sein. Dazu werden gemeinhin Homosexuelle, Drogenabhängige, Obdachlose und Ausländer gezählt.“
Andere Medien hatten diesen Bericht am Freitag aufgegriffen. Durch weitere Verkürzung des Sachverhalts entstand dabei der irreführende Eindruck, HIV-Zwangstests sollten bei den genannten Gruppen prinzipiell durchgeführt werden, nicht nur in bestimmten Situationen.
Weitere Informationen: Pressemitteilung vom 16.7.2012
Bericht auf aidshilfe.de (mit weiterem Material)