Baden-Württemberg: Sexuelle Vielfalt wird Teil des Unterrichts

Der baden-württembergische Kultusminister Andreas Stoch (SPD) hat kurz vor dem Ende seiner Amtszeit einen umstrittenen Bildungsplan in Kraft gesetzt, der auch auf die Akzeptanz sexueller Vielfalt abzielt.

Die Endfassung des Bildungsplans soll dem Kultusministerium zufolge am kommenden Montag online veröffentlicht und am Mittwoch bei einem Bildungskongress in Fellbach 800 Lehrer_innen und Schulleiter_innen von Kultusminister Stoch persönlich vorgestellt werden. 

Der von der grün-roten Landesregierung in einem mehrjährigen Verfahren ausgearbeitete Plan erhebt die „Bildung für Toleranz und Akzeptanz von Vielfalt“ zum neuen Leitprinzip an den Schulen in Baden-Württemberg.

Das Bundesland folgt damit dem Beispiel von Berlin, Bremen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz, wo die sexuelle Vielfalt bereits seit längerem Bestandteil der Bildungspläne ist und als Thema fächerübergreifend und altersgerecht im Schulunterricht behandelt wird.

Mit der Freigabe des Bildungsplans kurz vor dem Beginn der Koalitionsverhandlungen zwischen den Grünen und der CDU hat Stoch Fakten geschaffen und entsprechende  Kritik ausgelöst. „Uns wäre es lieber gewesen, die Rechtskraft bis nach den Koalitionsverhandlungen auszusetzen“, erklärte Medienberichten zufolge der CDU-Bildungsexperte Georg Wacker. Er sehe insbesondere bei den sogenannten Leitperspektiven, die auch die Berücksichtigung sexueller Minderheiten im Unterricht gewährleisten sollen, dringenden Änderungsbedarf.

Das Ministerium hat diese Kritik zurückgewiesen: Damit die Neuerung im nächsten Schuljahr greifen könne, müsse sie jetzt in Kraft gesetzt werden, damit den Lehrkräften und Schulen entsprechende Vorbereitungszeit bleibe. Der Termin sei schon seit langem geplant. 

Zudem sei es unzutreffend, Sexualerziehung als Teil der Leitperspektiven zu beschreiben. Vielmehr gehe es bei den fächerübergreifenden Leitlinien darum, Unterschiede in der Gesellschaft zu akzeptieren und zu tolerieren. Damit wolle die derzeit noch regierende grün-rote Landesregierung Diskriminierung entgegenwirken.

Eine überraschend starke, aus christlich-fundamentalistischen und rechtskonservativen Kreisen initiierte Protestbewegung hatte in den zurückliegenden Jahren den Bildungspan als Teil einer „Gender-Ideologie“ diffamiert und vor einer  „Frühsexualisierung der Kinder“ gewarnt.

Eine entsprechende Online-Petition, die unter anderem vom baden-württembergischen Landesverband der AfD sowie der pietistischen Evangelischen Allianz beworben worden war, bekam über 190 000 Unterschriften.

Angelehnt an die französischen Bewegung „La Manif pour tous“ , die sich gegen die Gleichstellung Homosexueller richtet, nahmen in Stuttgart und anderen Städten jeweils mehrere tausend Menschen bei der „Demo für alle“ teil. Unter dem Eindruck dieser Proteste wurde der Entwurf des Bildungsplans 2014 zur Überarbeitung zurückgezogen.

(ascho)

 

Weiterführende Beiträge:

Letzte Amtshandlung von Grün-Rot: Bildungsplan in Kraft (Meldung auf queer.de vom 31.03.2016)

„Das ist eine reale Bedrohung“ (Beitrag zur Intitative „Besorgte Eltern“ und zur „Demo für alle“ auf magazin.hiv vom 21.04.2015)