Urteil: Das Recht auf Gesundheit gilt auch für Asylbewerber_innen und Geduldete
Wer Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) bekommt, muss mit allen Therapiemaßnahmen versorgt werden, die nach dem Recht der Gesetzlichen Krankenkassen oder der Sozialhilfe erforderlich sind.
Dies hat das Landessozialgericht Hessen entschieden. Das Urteil (Aktenzeichen L 4 AY 9/18 B ER) wurde am 17. Juli veröffentlicht.
Das Existenzminimum umfasst auch die Sicherstellung der Gesundheit
„Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt“, heißt es in Artikel 1 des Grundgesetzes.
Aus ihm gehe ein Anspruch auf Sicherstellung eines menschenwürdigen Existenzminimums hervor, der sich auch auf Gewährung von Leistungen für die Gesundheit erstrecke, heißt es im Urteil.
Versorgung ist auf dem hiesigen Leistungsniveau geboten
Dies gelte ab Beginn des Aufenthalts in Deutschland. Die Verfassung erlaube es auch nicht, das Existenzminimum mit Hinweis auf das Niveau im Herkunftsland oder in anderen Ländern niedriger als in Deutschland geboten festzulegen.
Das heißt laut dem Hessischen Sozialgericht: Auch für Asylbewerber_innen und Gleichgestellte ist „die medizinische Versorgung mit allen Leistungen“ nach dem Recht der Gesetzlichen Krankenkassen (Sozialgesetzbuch V) bzw. der Sozialhilfe (Sozialgesetzbuch XII) geboten – und zwar auf dem hiesigen Leistungsniveau.
Dies gilt zumindest dann, wenn es sich nicht um eine Bagatell-Erkrankung und nicht nur um einen kurzfristigen Aufenthalt in Deutschland handelt.
Hintergrund: Erforderliche Behandlung einer chronischen Hepatitis C
Hintergrund war der Fall eines Mannes aus Aserbaidschan. Er war 2015 zusammen mit seiner Frau aus den Niederlanden ohne Papiere nach Deutschland eingereist. Die Ausländerbehörde erteilte ihm eine zunächst bis zum 6. September 2018 befristete Duldung.
Im Oktober 2016 stellten Ärzt_innen eine chronische Hepatitis-C-Infektion fest. Sie rieten zu einer Therapie, die eine 90-prozentige Heilungschance biete.
Der zuständige Landkreis Fulda lehnte die Kostenübernahme mit Verweis auf das Asylbewerberleistungsgesetz ab. Das Sozialgericht Fulda verpflichtete den Landkreis mit Beschluss vom 18. Juni 2018, vorläufig die Kosten für eine Hepatitis-C-Behandlung zu übernehmen.
Am 22. Juni legte der Landkreis Beschwerde gegen dieses Urteil beim Hessischen Landessozialgericht ein. Das Asylbewerberleistungsgesetz sei restriktiv auszulegen, so die Begründung. Leistungen bei Krankheit sollten nach dem Willen des Gesetzgebers nur auf niedrigem Niveau erbracht werden. Zudem müsse der Mann in die Niederlande ausreisen.
Regelungen im Asylbewerberleistungsgesetz
Nach dem Wortlauft des Asylbewerberleistungsgesetzes haben Asylbewerber_innen (sowie Menschen ohne Aufenthaltstitel in den ersten 15 Monaten des Aufenthalts in Deutschland) im Wesentlichen lediglich Anspruch auf ärztliche und zahnärztliche Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände, auf Schutzimpfungen sowie medizinisch gebotene Vorsorgeuntersuchungen.
Werdende Mütter und Wöchnerinnen bekommen ärztliche und pflegerische Hilfe und Betreuung, Hebammenhilfe, Arznei-, Verband- und Heilmittel erstattet (§ 4 AsylbLG).
Nach § 6 des Asylbewerberleistungsgesetzes können darüber hinaus aber sonstige Leistungen gewährt werden, „wenn sie im Einzelfall zur Sicherung … der Gesundheit unerlässlich sind“.
(hs)
Umfangreiche Informationen zur bisherigen Auslegung des Asylbewerberleistungsgesetzes bietet das Informationsportal „Gesundheit für Geflüchtete“.