Zweitausendzweihundertsiebenundzwanzig

Liebe Leser*innen,

2.227 – das ist die offiziell erfasste Zahl der drogenbedingten Todesfälle im letzten Jahr in Deutschland, so viele wie nie zuvor. Sie gibt nicht wieder, wie viele Partner*innen, Kinder, Eltern, Geschwister und Freund*innen zurückbleiben; und die tatsächliche Zahl liegt vermutlich noch höher, weil es in vielen Fällen keine toxikologischen Gutachten oder Obduktionen gibt.

Drogengebrauchende Menschen haben keine Lobby und keine wirkmächtigen Instrumente, mit denen sie Politiker*innen zum Einlenken bringen können. Wir wissen seit langem: Es sind vor allem die Bedingungen der Prohibition, die töten. Strafverfolgung und Repression schützen nicht vor den schädlichen Folgen von Drogenkonsum. Wir wissen, wie Drogentodesfälle vermieden werden können. Seit vielen Jahren wiederholen wir gebetsmühlenartig: Wir brauchen mehr Drogenkonsumräume, mehr Zugang zu Test und Behandlung, mehr Drugchecking-Angebote, mehr Verfügbarkeit von Naloxon und mehr regulierte Abgabe von Substanzen über das Medizinsystem; außerdem müssen Bundesländer und Kommunen auf den zunehmenden Crack-Konsum und die immer stärkere Verbreitung synthetischer Drogen vorbereitet sein.

Aber das Gegenteil ist der Fall: Viele Kommunen setzen bei der Drogenhilfe den Rotstift an; ein Drittel der Einrichtungen hat nicht einmal genügend Geld für saubere Spritzen. Bislang gibt es nur in acht der 16 Bundesländer Drogenkonsumräume, die Leben retten und im Fall einer Überdosis medizinische Notfallhilfe bereitstellen können. Noch immer sind die Widerstände und die Angst groß, dass der Drogenkonsum durch schadensminimierende Maßnahmen verharmlost oder gar gefördert wird, wie wir jetzt auch in den Debatten um die Legalisierung von Cannabis sehen konnten.

In Europa haben Portugal, wo auch harte Drogen schon 2001 entkriminalisiert wurden und die Zahl der Drogentoten drastisch gesunken ist, und die spanische Region Katalonien einen ganz anderen Weg eingeschlagen. Rund um Barcelona sind der Drogenkonsum und seine Folgen als allgemeines Gesundheitsproblem anerkannt und das Drogenhilfesystem ist mit vielen Therapie- und Hilfsangeboten in die öffentliche Gesundheitsfürsorge eingebettet. Die Zahl der Drogentoten ist dadurch fast um die Hälfte gesunken, HIV-und Hepatitis-Infektionen unter Drogengebrauchenden sind massiv zurückgegangen.

Wenn im Juli Wissenschaftler*innen und Community-Vertreter*innen aus aller Welt zur AIDS2024 nach München kommen, werden wir sicher auch mehr über die internationale Situation erfahren. Die Stadt, in der der politische Wille für einen Drogenkonsumraum längst da ist, hat das Pech, in Bayern zu liegen, das noch immer nicht bereit ist, die Voraussetzung für diese Maßnahme zu schaffen.

Veränderungen brauchen Mut. Wir hoffen, in München ein wichtiges Zeichen setzen zu können.

Herzliche Grüße,

Silke Klumb