Auf der Suche nach Antworten
Liebe Leser_innen,
wir alle befinden uns zurzeit im Krisenmodus, auch in der Aidshilfe. Im Privatleben fragen wir uns jenseits aller Gedanken um eine mögliche Infektion vielleicht gerade, wie wir eine Quarantäne in weitgehender Isolation überstehen sollen, wie wir unsere Kinder beschäftigen und uns um unsere alten Eltern kümmern können oder wie die nette Nachbarin, die ein kleines Café betreibt und kaum Rücklagen hat, jetzt über die Runden kommen soll. Gleichzeitig fallen viele unserer üblichen Entspannungsmöglichkeiten erstmal weg; und nicht umsonst finden im Moment die meisten Besucher_innen über die Suchstichworte „Corona + Sex“ den Weg auf unsere Webseite.
Unseren beruflichen Alltag müssen wir für die nächste Zeit völlig neu organisieren. Viele Mitgliedsorganisationen haben ihre Öffnungszeiten eingeschränkt bzw. einschränken müssen und verlagern ihre Beratung so gut wie möglich auf das Telefon oder Online-Angebote. Selbsthilfetreffen müssen ausfallen, ebenso wie viele Testangebote der Checkpoints. Auch in der Bundesgeschäftsstelle haben wir alle Veranstaltungen bis Ende April abgesagt, und die Kolleg_innen arbeiten zum Teil von zuhause aus, sodass in den Büros für ausreichend Abstand gesorgt ist.
Wir bieten auf aidshilfe.de aktuelle Infos zu Corona, die ständig aktualisiert und erweitert werden und auch auf Angebote in anderen Sprachen verweisen. Auf DAH-Intern gibt es die neue Gruppe „Corona und Aidshilfe“, in der wir uns im Verband über die Auswirkungen der Krise auf unsere Arbeit austauschen und mögliche Lösungen diskutieren können. In der Gruppe geht es u.a. gerade um die Frage, was kurzfristig getan werden kann, um die psychische Gesundheit von Klient_innen zu unterstützen. Außerdem prüfen wir unterschiedlichste Telefon-, Videokonferenz- und Online-Angebote, um unsere internen Abstimmungen zwischen Home-Office und Geschäftsstelle sicherzustellen und perspektivisch vielleicht auch Arbeitstreffen in anderer Form durchzuführen. Unsere Erfahrungen damit werden wir gerne teilen.
Auf viele Fragen brauchen wir dringend Antworten – zum Beispiel auf die, wohin sich Drogengebrauchende wenden sollen, wenn Konsumräume geschlossen sind, was aus Sexarbeiter_innen wird, die nun faktisch ein Arbeitsverbot haben, und wer jetzt eigentlich noch für diejenigen da ist, die als Obdachlose oder Menschen ohne Papiere sowieso auf der untersten Stufe der Gesellschaft stehen. Wir versuchen zumindest, deren Stimme lauter zu machen. So haben wir z.B. in einem Schreiben an die Justizministerien der Länder die Aussetzung von Ersatzfreiheits- und Kurzzeitstrafen gefordert und werden uns ebenso für Notfall-Substitutionsangebote einsetzen. Denn gerade jetzt gilt ein Satz, den wir als eines unserer strategischen Ziele für das nächste Jahrzehnt im Blick haben: Wir treten vehement für eine solidarische Gesellschaft ein! Für alle!
Aber - es gibt auch ein Leben jenseits COVID19, und das bedeutet etwa für diejenigen in den Lagern an den Außengrenzen der Europäischen Union weiter unhaltbare Bedingungen. Damit dies nicht völlig untergeht, wollen wir etwa in unserer Social-Media-Arbeit auch darauf aufmerksam machen.
Blicken wir nach Italien, wo die Menschen, die ihre Häuser nicht verlassen dürfen, das Beste aus der Situation machen: In ganzen Straßenzügen stehen sie abends am offenen Fenster, singen zusammen und machen sich gegenseitig Mut – mit selbstgemalten Regenbogenbannern und der Aufschrift „Tutto andrà bene“. Alles wird gut, auch bei uns.
Kommen wir alle gemeinsam gut durch diese Zeit!
Vorstand und Geschäftsführung der Deutschen Aidshilfe