Neues vom Vorstand
Trauer um Ute Krackow
Die Nachricht vom plötzlichen Tod unserer Schleswig-Holsteiner Kollegin und Freundin Ute Krackow hat uns fassungslos und tief betroffen gemacht. Wir alle hatten sie noch wenige Wochen zuvor auf dem Fachtag in Berlin in ihrer Ute-Art erlebt: zugewandt, herzlich, konstruktiv, immer mit einem Lachen im Gesicht und einem guten Vorschlag im Gepäck. Sie war nicht nur Teil der Online-Beratung, der Kommission Projekte und Finanzen und des Facharbeitskreises Antidiskriminierungsarbeit; sie hat uns in unzähligen Projekten begleitet und war immer offen dafür, mit uns Dinge zu bewegen. Wir konnten uns auf sie und ihren klugen Rat verlassen. Sie hinterlässt eine riesige Lücke, und sie fehlt uns.
Neben ihr, die so jäh aus dem aktiven Berufsleben gerissen wurde, hat der Verband in diesem Jahr auch zwei Kämpfer*innen verloren, die vor Jahrzehnten unseren Weg mitbereitet haben: Micaela Riepe, die sich als erste Referentin für Prostitution für die Rechte von Sexarbeitenden eingesetzt und an den Grundlagen der Prävention in anderen Feldern mitgearbeitet hat, und Helmut Ahrens, der im November verstorben ist. Als unser erster Drogenreferent, späteres Vorstandsmitglied sowie Initiator, Mitbegründer und Namensgeber von JES hat er maßgeblich eine neue Drogenpolitik vorangetrieben, die ein menschenwürdiges Leben mit Drogen in den Vordergrund stellt. Auch er wird seinen Platz in der Reihe „Erinnern und Gedenken“ auf magazin.hiv bekommen.
Mehr als du denkst!
„Aidshilfe – mehr als du denkst“: Unter diesem Motto haben wir am 19. Oktober den 40. Geburtstag der DAH mit rund 250 ehren- und hauptamtlichen Kolleg*innen aus dem Verband, Wegbegleiter*innen und Kooperationspartner*innen gefeiert und viel positives Feedback bekommen. Auch aus unserer Sicht ist es an dem Abend gut gelungen, zu zeigen, was uns ausmacht: Wir sind Community, wir sind bunt und vielfältig, wir sind mit einer breiten Palette von Angeboten für Menschen aus den Schlüsselgruppen da. Wir haben eine bewegte Geschichte und Menschen, die uns mit ihrem beeindruckenden Engagement ein Beispiel geben – so wie unser neues Ehrenmitglied Peter Stuhlmüller und die Kolleg*innen der AIDS-Hilfe Emsland und von Munich Kyiv Queer, die mit dem Hans-Peter-Hauschild-Preis ausgezeichnet wurden. Unser Dank gilt allen, die den Empfang vorbereitet und zu ihm beigetragen haben. Ein Wermutstropfen bleibt, dass einige Politiker*innen ihre Teilnahme kurzfristig absagen mussten.
Fachtag 40 Jahre Strukturelle Prävention
Mit dem Fachtag, der sich mit rund 120 Teilnehmenden und einem sehr dichten Programm für eineinhalb Tage an das Jubiläum anschloss, hatten wir uns viel vorgenommen. In 16 Workshops - verteilt auf die vier Themenstränge n=n, Sexualitäten, Barrieren in der Versorgung und Positionsentwicklungen – wollten wir ergründen, wie wir die Erfahrungen aus den letzten 40 Jahren für die Zukunft nutzen können, wo wir nachbessern sollten und wo wir Neues wagen müssen.
Fazit im Abschlussplenum war, dass die Strukturelle Prävention ein Erfolgsmodell ist, auf dem wir weiter aufbauen können. Inhaltlich war u.a. ein großes Thema, dass der entlastende Fakt des Schutzes durch die HIV-Therapie zunehmend unter den Druck gerät, die Nachweisgrenze immer weiter zu senken und belegbar zu machen. Dem gilt es im öffentlichen Bewusstsein entgegenzuwirken, denn HIV war im Alltag und in den allermeisten Kontexten noch nie übertragbar, auch ohne n=n!
Neben dem Appell, wieder mehr zu streiten, wurde die Kritik laut, dass bestimmte Themen nicht angesprochen worden seien und die Perspektive der positiven Community auf dem Abschlusspodium gefehlt hat. Wir nehmen diese Kritik sehr ernst und können uns für das Versäumnis bei der Besetzung des Podiums nur entschuldigen. Gleichzeitig stellen wir fest, dass die Erwartungen in Bezug auf Inhalte und Formate von Debatten weit auseinandergehen und der Spagat z.B. zwischen dem Wunsch nach mehr Praxisbezug und dem nach mehr Auseinandersetzungen auf akademischem Niveau womöglich nicht im Rahmen eines Fachtags zu leisten ist. Wir sehen es nun als unsere Aufgabe, Räume für Debatten und Möglichkeiten der Beteiligung zu schaffen – ebenso wie für den Wunsch, stärker ins Handeln zu kommen.
Lobbyarbeit und fachlicher Austausch mit Politiker*innen
In den letzten Monaten haben wir viele Gespräche mit Bundestagsabgeordneten aller demokratischen Fraktionen geführt – zum einen, um zumindest einen Ausgleich für Inflation und allgemeine Kostensteigerungen zu erreichen. Noch nie waren diese Gespräche mit Politiker*innen, die für unsere Anliegen durchaus offen sind, so schwierig wie in diesem Jahr. Der Spardruck der öffentlichen Haushalte war auch schon vor der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gegen den Nachtragshaushalt enorm. Zumindest zwischenzeitlich waren unsere Gespräche erfolgreich: In der Bereinigungssitzung des Bundestags wurde eine Erhöhung des Etats für die DAH um 500.000 € und des Budgets von UNAIDS von Null auf 6,75 Mio. Euro beschlossen. Ob diese Entscheidungen angesichts des Milliardenlochs Bestand haben werden, bleibt abzuwarten.
Zum anderen hatten wir einige Gelegenheiten zum fachlichen Austausch – u.a. mit MdB Ariane Fäscher über die Lebensrealitäten von Sexarbeiter*innen und die zu erwartenden Folgen eines Sexkaufverbots sowie mit Bundesfamilienministerin Lisa Paus zur Bedeutung des aus ihrem Ministerium geförderten Programms „respekt*land“. In dessen Rahmen arbeiten wir mit unserem Teilprojekt daran, die Sensibilität für Diskriminierung im Gesundheitswesen zu erhöhen und Beschwerdestrukturen zu verbessern. Darüber hinaus war auch sie sehr interessiert an unserer Studie zur sexuellen Gesundheit und HIV/STI-Präventionsbedarfen von Sexarbeiter*innen.
Nach der Hälfte der Laufzeit der Strategie der Bundesregierung zur Eindämmung von HIV, Hepatitis B und C und anderer STIs Infektionen („BIS 2030“) haben wir mit der AG Gesundheit und Pflege der Grünen-Fraktion im Bundestag eine Zwischenbilanz gezogen. Wir stehen in Deutschland insgesamt gut da, es bleiben aber nach wie vor große Baustellen wie die Versorgung für Unversicherte, der flächendeckende Zugang zu sterilen Konsumutensilien oder die Umsetzung des Äquivalenzprinzips für Menschen in Haft. Hier ist der Gesetzgeber gefordert, für Gefangene über die GKV die gleichen Gesundheitsleistungen wie außerhalb des Justizvollzugs zu gewährleisten.
s.a.m health auf gutem Weg
Unser Einsendetest-Angebot nimmt Fahrt auf: Wir dürfen bei den Testkit-Bestellungen von einem Wachstum von 16 Prozent ausgehen – und das, obwohl es zeitweise Lieferprobleme gab. Auch die Möglichkeit, über den Sozialfonds ermäßigte Testkits für 10 € zu bekommen, wird gut angenommen. Dank der Unterstützung der Deutschen AIDS-Stiftung konnten wir in diesem Jahr über 300 Testkits über den Sozialfonds herausgegeben. Für das nächste Jahr werden wir über Pharma-Fördermittel rund 400 vergünstigte Testkits vergeben können.
Gemeinsame Datenerhebung der Checkpoints
Unser Plan, zum Jahreswechsel von QuestionPro auf LimeSuryey als Interimslösung für die gemeinsame Qualitätssicherung umzusteigen, verzögert sich aufgrund von Personalproblemen bei der Softwarefirma leider etwas. Wir gehen im Moment von einer bis zu dreimonatigen Übergangsfrist aus.
Wir sind zuversichtlich, dass wir mit der neuen Software ein relativ einfach nutzbares Tool haben werden, das z.B. auch eine Ergebnismitteilung online möglich macht. Bei einem positiven Testergebnis gibt es – sofern dieser Weg vorher im Beratungsgespräch abgeklärt wurde - über den Webseitenaufruf eine Rückrufbitte zur Ergebnismitteilung. Testnutzer*innen können sich auch entscheiden, ihre Ergebnisse doch lieber telefonisch abzufragen.
Leben mit HIV. Anders als du denkst?
Pünktlich am 2. November ist die diesjährige WAT-Kampagne erfolgreich gestartet und sehr gut aufgenommen worden. Wir konnten nicht nur ein großes Medienecho erzielen, sondern auch großes Interesse an sämtlichen Materialien und Social-Media-Angeboten. Die Protagonist*innen haben sehr viel positives Feedback bekommen, und wir danken Barbie, Abbas, Thomas, Hildegard, Kristina, Giovanni und Denis für ihr großes Engagement, den Mut, ihr Gesicht in einer breiten Öffentlichkeit zu zeigen, und auch für ihre Ausdauer bei der teils herausfordernden organisatorischen Umsetzung. Wir werden in der Evaluation ergründen, wo wir nachbessern können und müssen.
HepHIV-Konferenz in Madrid
In diesem Jahr hatte Spanien unter der EU-Ratspräsidentschaft zu der Konferenz eingeladen und den besonderen Fokus auf die Arbeit gegen Stigmatisierung und Diskriminierung gelegt, um die beeindruckenden eigenen Erfolge auf diesem Feld präsentieren zu können. Diese reichen von neu geschaffenen Gesetzen gegen Diskriminierung bis hin zum Beitritt zur globalen Initiative gegen Diskriminierung, an der bislang nur sehr wenige europäische Länder teilnehmen; Deutschland konnte noch nicht zu einem Beitritt bewegt werden.
Die Konferenz zeigte auch, wo die europäische Diskussion zum Thema Testung aktuell steht: Viele Staaten suchen nach der einen Lösung, um die Epidemie „wegzutesten“; so ist z.B. in England die Testung in der Notaufnahme wieder hoch im Kurs. Aus unserer Sicht brauchen wir eine Vielfalt von Angeboten, also „combination testing“, analog zu combination therapy und combination prevention.
Petitionen und Offene Briefe:
In den letzten Wochen haben wir u.a. folgende Petitionen und Offenen Briefe mitgezeichnet:
• Offener Brief „Zwei Jahre queerpolitischer Aufbruch im Koalitionsvertrag – Vorhaben droht zu scheitern“ an den Bundeskanzler und das Bundeskabinett
• Unterzeichnung Brief an den Weltbankpräsidenten: Nicht-Wiederaufnahme der Zahlungen an Uganda
• Petition für ein Aufnahmeprogramm von trans* Menschen aus Russland
• Offener Brief Digitalisierung im Gesundheitswesen an Bundesregierung und Parlament
Termine und Veranstaltungen
Seit der letzten Sitzung Ende August waren wir u.a. auf folgenden Veranstaltungen vertreten:
• Auftaktveranstaltung zu „respekt*land – Antidiskriminierungsarbeit für ganz Deutschland“
• 35-jähriges Jubiläum der Aidshilfe Wolfsburg
• LSBTIQ-Fachtag des Deutschen Gewerkschaftsbunds
• Welt-Aids-Tags-Veranstaltungen in Halle und Hamburg
• Fachbeirat der Deutschen AIDS-Stiftung
• Eröffnung des neuen Lebensorts Vielfalt der Berliner Schwulenberatung
• Stiftungsrat der Akademie Waldschlösschen
• Fachtag, Vollversammlung und Mitgliederversammlung des Aktionsbündnisses gegen Aids
• Verbandsrat des Paritätischen Gesamtverbands
• Mitgliederversammlung der Aidshilfe NRW