Hintergrund zum SeBiCo-Projekt
Das SeBiCo-Projekt ist aus den Empfehlungen des partizipativen Forschungsprojekts „Sexuelle Gesundheit und HIV/STI in trans und nicht-binären Communitys“ (TASG-Studie) hervorgegangen, das DAH und RKI von Oktober 2020 bis April 2023 gemeinsam durchgeführt haben. Die Empfehlungen und wichtigsten Forschungsergebnisse sind in dieser Broschüre zusammengefasst. Den vollständigen Forschungsbericht findest du bei unserem Kooperationspartner auf den Seiten des RKI.
Die TASG-Studie konnte aufzeigen, dass trans und nicht-binäre Menschen in Deutschland erhöhten gesundheitlichen Belastungen ausgesetzt sind, und zwar sowohl in Bezug auf psychische Gesundheit, z. B. Minoritätenstress (Diskriminierungserfahrungen, Stigma, verinnerlichte Transnegativität) und Geschlechtsdysphorie, als auch in Bezug auf körperliche Gesundheit. Zur sexuellen Gesundheit in trans und nicht-binären Communitys, wie zum Beispiel zur HIV-Prävalenz, lagen in Deutschland sogar bislang gar keine Daten vor. Durch die Erhebung selbstberichteter Diagnosen im quantitativen Studienteil, durchgeführt von den Kolleg*innen des RKI, konnten erstmals Daten zu HIV- und weiteren STI-Diagnosen für den deutschsprachigen Raum berichtet werden.
Im qualitativen Teil der TASG-Studie hat das Forschungsteam der DAH unter anderem sowohl Belastungs-/Gefährdungsfaktoren als auch Empowerment/Resilienz-fördernde Faktoren herausgearbeitet, welche die sexuelle Gesundheit in den genannten Communitys beeinflussen.
Die Belastungsfaktoren für die sexuelle Gesundheit, die wir herausgearbeitet haben, sind insbesondere folgende: Minoritätenstress, Gewalt- und Diskriminierungserfahrungen und daraus resultierende psychische Belastungen sowie damit einhergehende Gefühle von Vulnerabilität. Außerdem fehlen Angebote zur sexuellen Bildung und Gesundheit, die trans- und nicht-binär-kompetent bzw. -inklusiv arbeiten fast vollständig. Folglich berichteten Teilnehmer*innen immer wieder von diskriminierenden Erfahrungen in diesen Bereichen sowie von nicht bedarfsgerechter Beratung.
Sexuelle Bildung für trans und nicht-binäre Menschen, die zielgruppen-spezifische Fragen der sexuellen Gesundheit adressiert, findet derzeit fast ausschließlich im nicht institutionalisierten Bereich statt, etwa in Form von selbstorganisierten Trans-Tagungen, Austausch mit Freund*innen und ggf. noch durch queer-feministische Pornos. Genau diese Formate haben wir aber in unserer Forschung als Empowerment und Resilienz fördernde Faktoren herausarbeiten können. Kurz: wir brauchen (mehr) sexuelle Bildungsangebote von und für trans und nicht-binäre Menschen.
Diese Erkenntnis hat sich auch bei unserer Datenerhebung selbst bestätigt, die wir zum Großteil im Rahmen von Fokusgruppen-Wochenenden mit Selbsterfahrungs- und Peer-Austausch-Anteilen durchgeführt haben. Dabei wurde deutlich, wie sehr die Teilnehmenden von dem Erfahrungsaustausch mit anderen Peers profitierten, sodass sich in unserer Forschungsarbeit ein Selbsthilfe-Effekt eingestellt hat. Die Teilnehmenden konnten sich gegenseitig empowern, voneinander lernen und gleichzeitig ihr Selbstwertgefühl steigern und die Selbstfürsorge im Bereich sexuelle Gesundheit verbessern.
Weitere stärkende Faktoren, die in der Datensauwertung herausgearbeitet wurden, waren identitätsstärkende Aspekte (z. B. inklusive Räume, Rollenvorbilder und Partner*innen), Selbsterfahrung und Körperaneignung, die Entwicklung einer selbstbewussten, konsensbasierten Sexualität sowie der Erwerb sexueller Verhandlungskompetenz.
Folgerichtig lautet eine der zentralen Empfehlungen des Projektes, Angebote der ganzheitlichen sexuellen Bildung, insbesondere im Peer-to-Peer-Bereich, zu erarbeiten und zu stärken. Und genau das ist der Grund, weshalb wir das SeBiCo-Projekt ins Leben gerufen haben.
Gemeinsam mit einer partizipativen Arbeitsgruppe mit trans und nicht-binären Expert*innen aus dem Bereich Körperarbeit, Sexualpädagogik und Aidshilfearbeit werden wir ein Peer-to-Peer-Trainings-Curriculum sowie ein Train-the-Trainer-Curriculum zur Förderung der sexuellen Gesundheit und der selbstorganisierten HIV/STI-Prävention entwickeln und erproben. In den Workshops sollen Wissen und Kompetenzen rund um sexuelle Gesundheit (HIV/STI Prävention, Empowerment, emotionale/psychosoziale Komponenten sexueller Gesundheit, Verhandlungskompetenz), spezifisch zugeschnitten auf die Situation von trans und nicht-binären Menschen, vermittelt werden. Langfristig sollen die Selbsthilfe, die selbstorganisierte sexuelle Bildung und die sexuelle Gesundheit in trans und nicht-binären Communitys gestärkt werden.