8. Alternativer Drogen- und Suchtbericht: Konzepte für eine bessere Versorgung
Der Bericht 2021 beschäftigt sich unter anderem mit Lücken in der Prävention wie in der Substitutionsbehandlung und präsentiert einen Maßnahmenplan zur Senkung drogenbedingter Todesfälle.
Der Bundesverband für akzeptierende Drogenarbeit und humane Drogenpolitik (akzept e.V.) hat am 15. Juli 2021 den 8. Alternativen Drogen- und Suchtbericht (ADSB) vorgestellt. Die Beiträge zahlreicher Expert*innen diagnostizieren erhebliche Versorgungslücken in der Prävention wie in der Substitutionsbehandlung, zeigen aber auch Möglichkeiten der nachhaltigen Verbesserung auf.
Maßnahmen gegen drogenbedingte Todesfälle
Ein wichtiges Thema des 8. ADSB sind drogenbedingte Todesfälle. Ihre Zahl hat im Jahr 2020 mit 1.581 einen traurigen Höchstwert erreicht.
Dirk Schäffer, Drogenreferent der Deutschen Aidshilfe, Claudia Schieren vom JES-Bundesvorstand und Heino Stöver, Professor für sozialwissenschaftliche Suchtforschung an der Frankfurt University of Applied Sciences, stellen im Alternativen Drogen- und Suchtbericht 2021 daher einen Maßnahmenplan vor, um derartige Todesfälle nachhaltig zu reduzieren.
Ein wichtiger Baustein dazu ist das kürzlich gestartete Modellprojekt NALtrain. Es soll in den nächsten drei Jahren die Grundlagen dafür legen, dass Mitarbeiter*innen in Aids- und Drogenhilfen im Rahmen von Kurzinterventionen Drogengebraucher*innen und Substituierte informieren, Ärzt*innen das Notfallmedikament Naloxon verordnen und möglichst viele Opioidkonsument*innen und Substituierte dieses lebenswichtige Präparat mit sich führen und anwenden können.
Defizite in der Versorgung Drogen konsumierender Menschen
Als weiterhin problematisch betrachten die Autor*innen des Bericht die Defizite in der Versorgung Drogen konsumierender Menschen in Freiheit und besonders in Haft.
Diese Defizite könne man aber beheben: So habe man etwa in der Corona-Krise im Frühjahr 2020 durch betäubungsmittel- und medizinrechtliche Erleichterungen im Zusammenspiel aller Akteur*innen (Ärzt*innen, Kassenärztliche Vereinigungen, Ärztekammern, Gesundheitsbehörden) zumindest in den Großstädten die Versorgung mit der Opoioidsubstitutionsbehandlung sichergestellt und den Kreis der Substituierten sogar erweitert.
Diese erfolgreichen Erleichterungen für die Substitutionsbehandlung sollten daher unbedingt dauerhaft implementiert werden.
„Es bedarf einer gemeinschaftlichen Kraftanstrengung, um die rechtlichen Rahmenbedingungen und Strukturen so zu verändern, dass beispielsweise eine wohnortnahe Behandlung und Telemedizin dauerhaft ermöglicht werden. Ferner gilt es finanzielle Fehlanreize in der Substitution zu korrigieren“, erklärt Dirk Schäffer. „Nur so können wir eine tiefgreifende und für viele lebensbedrohliche Versorgungskrise vermeiden.“ Die Kampagne „100.000 Substituierte bis 2022“ habe dazu vielfältige Anregungen gegeben.
Szenenahe Drugchecking-Angebote sind weiterhin nicht umgesetzt
Handlungsbedarf sieht Schäffer auch in einem anderen Bereich. Zwar steige seit Jahren die Zahl der Amphetamin-Konsument*innen, doch die Bundes- und Landespolitik habe es bisher versäumt, modellhafte Interventionen und dauerhafte Angebote einzuführen, kritisiert der DAH-Referent für Drogen und Strafvollzug.
So fehlten weiterhin szenenahe Drugchecking-Angebote, mit denen Beratungsangebote flankiert werden könnten. Ein Berliner Pilotprojekt, bei dem Konsument*innen psychoaktive Substanzen kostenlos auf Inhaltsstoffe und Verunreinigen prüfen lassen können, wurde zwar vor fünf Jahren beschlossen, der Start aber kürzlich erneut auf unbestimmte Zeit vertagt.
„Die stetig steigende Anzahl von Strafanzeigen für konsumnahe Delikte ist der falsche Weg“
Auch das Thema Kriminalisierung im Zusammenhang mit Drogenkonsum muss nach Ansicht von Dirk Schäffer dringend auf die politische Agenda: „Solange man den Erwerb und Besitz von Drogen zum Eigengebrauch mit dem Strafrecht ahndet, werden damit unweigerlich die Erfolge von Beratung, Behandlung und Schadensminderung konterkariert“, so der DAH-Drogenreferent. Die stetig steigende Anzahl von Strafanzeigen für konsumnahe Delikte sei der falsche Weg. „Stattdessen müssen wir der Hilfe vor Bestrafung den Vorrang geben“, betont Schäffer.
(ascho)
Schwerpunktthema Alkohol- und Tabakkontrollpolitik
Schwerpunktthema des von akzept e.V. herausgegebenen 8. Alternativen Drogen- und Suchtberichtes ist die Alkohol- und Tabakkontrollpolitik der Bundesrepublik. Sie hat, so das Fazit der verschiedenen Beiträge zu diesem Komplex, eine zu industriefreundliche und zhu wenig gesundheitspolitische Ausrichtung.
akzept e.V. (Hrsg.): „8. Alternativer Drogen- und Suchtbericht 2021“, Pabst Science Publishers Lengerich, 192 Seiten, 20 Euro. Online verfügbar unter https://alternativer-drogenbericht.de/wp-content/uploads/2021/07/ADSB8-2021web.pdf