Neue Leitlinien: Stillen mit HIV ist möglich

Frauen mit HIV sollten frühzeitig und ergebnisoffen mit ihren Ärzt_innen über die Vor- und Nachteile des Stillens sprechen und dann gemeinsam mit ihnen eine Entscheidung treffen. Dies empfehlen die neuen „Deutsch-Österreichischen Leitlinien zur HIV-Therapie in der Schwangerschaft und bei HIV-exponierten Neugeborenen“.

Die Empfehlungen der Deutschen und der Österreichischen AIDS-Gesellschaft sowie weiterer Fachgesellschaften und Organisationen beziehen sich dabei offenbar auf cis Frauen, andere geschlechtliche Identitäten Schwangerer werden nicht angesprochen.

Die Leitlinien nehmen neue Erkenntnisse auf und bieten Orientierung für Menschen aus allen Berufsgruppen, die HIV-positive Schwangere beraten und sie und ihre Kinder ambulant oder stationär betreuen.

HIV-Spezialist_innen etwa erhalten Empfehlungen für die HIV-Therapie vor einer geplanten oder während einer Schwangerschaft.

Darüber hinaus gibt es klare Richtlinien, unter welchen Voraussetzungen eine vaginale Geburt möglich ist und wann ein Kaiserschnitt empfohlen wird, um eine HIV-Übertragung auf das Kind zu vermeiden.

Stillen und die Versorgung der Neugeborenen nehmen deutlich mehr Raum ein

Gegenüber den 2017 erschienenen Leitlinien nehmen in der aktuellen Fassung sowohl die Versorgung von Neugeborenen wie auch das Thema Stillen deutlich mehr Raum ein. Behandelnde Ärzt_innen erhalten jetzt eine differenzierte Übersicht, wann und wie HIV-positive Schwangere mit geringstmöglichem Übertragungsrisiko stillen können.

Bisher empfehlen die meisten Leitlinien in Ländern, in denen Flaschennahrung und sauberes Wasser bezahlbar und jederzeit verfügbar sind, bei einer HIV-Infektion weiterhin einen Stillverzicht – auch bei erfolgreicher HIV-Therapie.

Stillen: Wichtig sind eine gemeinsame Entscheidung und interdisziplinäre Begleitung

Voraussetzungen für sicheres Stillen sind nach den Leitlinien vor allem eine nicht nachweisbare Viruslast (idealerweise in der gesamten Schwangerschaft, mindestens aber bei den beiden letzten Messungen vor der Geburt), die regelmäßige Einnahme der HIV-Medikamente sowie die Bereitschaft, die Viruslast von Mutter und Kind regelmäßig zu überprüfen.

Empfohlen wird, das Thema Stillen frühzeitig in der Schwangerschaft und wertfrei anzusprechen, Vor- und Nachteile zu erörtern, das Vorliegen der Voraussetzungen für sicheres Stillen zu prüfen und dann zu einer gemeinsamen Entscheidung zu kommen.

Während der Still- und Abstillzeit müsse eine interdisziplinäre Begleitung sichergestellt sein. Bei Stillproblemen könnten etwa Geburtshelfer_innen und Pädiater_innen, die mit dem Thema HIV vertraut sind, kontaktiert werden, Mitarbeiter_innen von Aidshilfen und anderen Beratungsstellen könnten unterstützend zur Seite stehen.

Da bislang zum Einsatz von HIV-Therapien bei Schwangeren und Neugeborenen lediglich unzureichende Daten vorliegen, werben die Leitlinien zudem dafür, die Behandlungsergebnisse national wie international zu sammeln. In Deutschland sollten Ärzt_innen sich etwa am Deutschen HIV-Schwangerschaftsregister beteiligen, HIV-exponierte und HIV-positive Kinder an die Kohorte der Pädiatrischen Arbeitsgemeinschaft AIDS Deutschland gemeldet werden.

(ascho/hs)

„Deutsch-Österreichische Leitlinie zur HIV-Therapie in der Schwangerschaft und bei HIV-exponierten Neugeborenen“, herausgegeben von der Deutschen AIDS-Gesellschaft und der Österreichischen AIDS-Gesellschaft

AWMF-Leitlinienseite: https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/055-002.html; als PDF hier abrufbar