Medibüros, Medinetze und NGOs fordern medizinische Versorgung für alle
In einem Offenen Brief fordern Medibüros und Medinetze angesichts der Corona-Pandemie, alle unversicherten Menschen unabhängig vom Aufenthaltsstatus sofort und dauerhaft in das reguläre gesetzliche Krankenversicherungssystem einzugliedern und die Übermittlungspflicht an Ausländerbehörden abzuschaffen.
Der Brief ging am 13. April an die Bundesminister für Gesundheit, Arbeit/Soziales und Inneres sowie die Gesundheitsminister_innen der Länder.
Schon am 24. März hatten Ärzte der Welt und über 40 mitzeichnende Organisationen in einem Offenen Brief an den Corona-Krisenstab der Bundesregierung darauf hingewiesen, dass hunderttausende Menschen in Deutschland keine Möglichkeit haben, sich auf das Coronavirus testen und gegebenenfalls behandeln zu lassen oder in Quarantäne zu gehen. Sie forderten die Bundesregierung dazu auf, umgehend die Kostenübernahme für Diagnostik und Behandlung für alle Menschen sicherzustellen, und zwar bei Bedarf auch anonym.
Die 35 im Bundesgebiet tätigen Medibüros und Medinetze, zahlreiche Flüchtlingsräte sowie andere Einrichtungen und NGOs wie die Deutsche Aidshilfe weisen nun darauf hin, dass die Kostenüberübernahme und Verfahrensweise immer noch nicht verbindlich geregelt seien – trotz einzelner lokaler Initiativen.
„Menschen mit chronischen oder akuten Erkrankungen bleiben schlichtweg unversorgt“, heißt es im Brief – mit verheerenden gesundheitlichen Folgen. Das sei „grob fahrlässig“.
Hunderttausende chronisch Kranke haben keinen Zugang zu Diagnostik und Versorgung
Der Hintergrund: Illegalisierte Migrant_innen, die auf anonyme Diagnostik und Behandlung angewiesen sind, fürchten, dass ihre Daten an die Ausländerbehörden übermittelt und sie abgeschoben werden (§ 87 des Aufenthaltsgesetzes). Andere schrecken vor hohen Behandlungskosten zurück und vermeiden deshalb Arztbesuche, Untersuchungen oder Tests.
Lokale und ehrenamtliche Initiativen wie die Medibüros und Medinetze könnten die Probleme nur notdürftig lösen, da die finanziellen und personellen Ressourcen begrenzt und unbeständig seien. Temporäre Projekte zur Vergabe „Anonymisierter Krankenscheine“ seien organisatorisch aufwendig und gegebenenfalls kostenintensiv.
Der Zugang zum Gesundheitssystem „muss allen Menschen, die in Deutschland leben, offenstehen: uneingeschränkt und langfristig“, so die Autor_innen des Offenen Briefs.
(ascho/hs)
Link zum Offenen Brief im Wortlaut (PDF-Datei)
Pressemitteilung der Medibüros und Medinetze vom 14. April 2020