Expertenbündnis fordert bessere Gesundheitsversorgung in Haft
Mit dem 6-Eckpunkte-Papier „Prison Health is Public Health“ schlägt die Initiative „Gesundheit in Haft“ dringend nötige Maßnahmen zur Verbesserung der Situation drogenabhängiger Inhaftierter vor.
„Auch Deutschland verstößt gegen das international verpflichtende Recht, Menschen in Haft eine gleichwertige Gesundheitsversorgung wie außerhalb der Gefängnismauern anzubieten“, sagt Sylvia Urban vom Vorstand der Deutschen Aidshilfe.
„Dies müssen und wollen wir ändern: Auch Menschen, die Drogen gebrauchen und inhaftiert sind, haben ein Recht auf den bestmöglichen Gesundheitszustand und die Achtung ihrer Menschenrechte“, so Sylvia Urban weiter.
Viele Inhaftierte konsumieren Drogen – Prävention und Therapie sind oft unzureichend
Die Wirklichkeit sieht leider anders aus: Obwohl etwa 20 bis 30 Prozent der Inhaftierten in Deutschland Drogen injizieren [1], wird ein großer Teil von ihnen suchtmedizinisch nicht ausreichend versorgt. Nur rund 10 Prozent erhalten eine Substitutionstherapie [2,3].
Hinzu kommen überproportional hohe Risiken, sich mit HIV oder dem Hepatitis-C-Virus zu infizieren, weil Schutzmaßnahmen so gut wie nicht verfügbar sind.
Versorgung für inhaftierte Drogengebraucher_innen verbessern, Schäden minimieren, Überleben sichern
Die „Initiative Gesundheit in Haft“ will nun im Schulterschluss mit der Politik auf Bundes- und Länderebene sowie den Verantwortlichen in ärztlichen und kassenärztlichen Gremien die Verfügbarkeit und Durchführungsbedingungen moderner Suchtmedizin in Haft verbessern.
Ziel ist, individuelle und gesellschaftliche Schäden zu minimieren, die volkswirtschaftlichen Kosten zu senken, drogenbezogene Kriminalität zu bekämpfen und das Überleben von Drogenabhängigen zu sichern.
In einem „6-Eckpunkte-Papier“ schlägt die Initiative deshalb mögliche Lösungen für sechs drängende Probleme vor und zeigt Beispiele guter Praxis aus einzelnen Bundesländern, Kommunen oder aus dem Suchthilfesystem auf.
Die sechs Eckpunkte im Überblick: Herausforderungen und Lösungen
- Inhaftierte werden gesundheitlich benachteiligt --> Umsetzung des Äquivalenzprinzips
- Nichtbehandlung schadet auf mehreren Ebenen --> Erhöhung der Behandlungsquoten in Haft
- Todesfälle nach Haftentlassung --> Sicherung des Überlebens durch bruchlose Anschlussbehandlung in Freiheit
- Drogenabhängige Menschen stehen am Rand der Gesellschaft --> Abbau von Stigmatisierung
- Suchtkranke Menschen brauchen fachkundige Hilfe --> Qualifizierung und bessere Vernetzung
- Unterschiedliche Bedingungen in den Bundesländern --> Transparenz und Austausch von Best Practice.
Das vollständige 6-Eckpunkte-Papier „Prison Health is Public Health“ kann als PDF-Datei heruntergeladen werden unter https://bit.ly/2H325Xp.
In der „Initiative Gesundheit in Haft“ haben sich Akteur_innen aus Substitutionspraxen, Forschung, wissenschaftlichen Fachgesellschaften, Patientenorganisationen, Suchtfachverbänden, Sozialarbeit und Justizvollzug zusammengeschlossen.
Fußnoten:
[1] DBDD. National REITOX-Report to the EMCDDA by the Reitox National Focal Point – Germany. Workbook Prison. Deutsche Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht DBDD, München 2018
[2] Robert Koch-Institut. Große Unterschiede bei TB-, HIV-, HCV-Behandlung und Opioid-Substitutions-Therapie unter Gefangenen in Deutschland. In: Epidemiologisches Bulletin Nr. 13/29. März 2018, S. 125–132. Berlin: RKI 2018
[3] Pont et al.: Substitutionsbehandlung im Strafvollzug. Ein praktischer Leitfaden. Deutsche AIDS-Hilfe 2018 (https://www.aidshilfe.de/shop/pdf/9443)