HIV und Psyche 2019

Seelische Erkrankungen, wie z.B. die Depression, kommen im Kontext einer HIV- oder Hepatitis-Infektion gehäuft vor. Einerseits können seelische Erkrankungen die Wahrscheinlichkeit erhöhen, sich mit HIV oder Hepatitis zu infizieren. Andererseits bringt eine HIV- oder Hepatitis-Infektion zahlreiche körperliche und soziale Stressfaktoren mit sich, die den Ausbruch einer seelischen Erkrankung mitunter begünstigen. Zudem ist der Erfolg einer antiretroviralen Behandlung bei HIV und Hepatitis eng mit der seelischen Verfassung der Betroffenen verbunden. So profitieren depressive HIV-Positive weit weniger von der ART, wenn sie nicht gleichzeitig antidepressiv behandelt werden. Für Hepatitis-Positive ist es Vergangenheit wichtig, zu wissen, dass die vielversprechende Behandlung ihrer Hepatitis-Infektion bisweilen mit der Nebenwirkung „Depression“ erkauft wird.

HIV, Hepatitis und Psyche sind also aufs Engste miteinander verknüpft. Mitarbeitende in Beratung und Betreuung müssen wissen, dass eine unbehandelte seelische Erkrankung genauso tödlich enden kann wie eine unbehandelte HIV-Infektion. Deshalb ist es eine wichtige Aufgabe in Beratung und Betreuung, Menschen darin zu unterstützen, sich die Hilfe zu holen, die sie brauchen. Denn die meisten Symptome seelischer Erkrankungen sind für die Betroffenen sehr unangenehm, aber in vielen Fällen nicht ohne fremde Hilfe als Ausdruck einer seelischen Erkrankung zu erkennen.

Diagnose und Behandlung seelischer Erkrankungen sind keine genuine Aufgabe von Aidshilfe, aber manchmal braucht es ein fachlich kompetentes Gegenüber, das den Weg in eine spezialisierte Versorgung erleichtert. Es gibt heute hochwirksame und verträgliche Behandlungsansätze, die seelisches Leiden verringern helfen. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass alle Mitarbeitenden eines Versorgungs-systems Anzeichen für entsprechende Krankheitsbilder erkennen und ihre Klient_innen an fachlich spezialisierte Dienste weiterverweisen können. Aufgrund der wachsenden Anzahl von Menschen mit HIV und Hepatitis und seelischen Problemen sind Mitarbeitende gefordert, einem großen Ausmaß seelischen Leidens ihrer Klient_innen standzuhalten, um eine längerfristig angelegte Arbeitsbeziehung eingehen zu können. Es ist wichtig, für sich erkennen zu können, wie sich seelische Probleme der Betroffenen auf die helfende Beziehung auswirken.

Die Deutsche AIDS-Hilfe e.V. trägt diesen Herausforderungen mit unterschiedlichen Qualifizierungsangeboten Rechnung. In den Grund- und Aufbaukursen der Reihe „HIV und Psyche“ wird gut verständliches Überblickswissen zu Krankheitsbildern sowie zu Diagnose- und Behandlungsmöglichkeiten vermittelt. Dazu arbeiten die Teilnehmer_innen an konkreten Fragestellungen aus der eigenen Praxis. Eine zentrale Frage ist dabei immer auch, wie HIV und die seelische Störung im konkreten Fall zusammenwirken und welchen Einfluss dies u.U. auf die erfolgreiche Diagnose und Behandlung der HIV-Infektion haben kann.

Zentrales Anliegen ist die Sensibilisierung der Helfenden für eigene Gegenübertragungsprozesse: Anhand von typischen Fallbeispielen erfahren sie, welche Gefühle und Reaktionen bestimmte Klient_innen oder Krankheitsbilder in ihnen mobilisieren können und welche Bedeutung diese Gefühle für ein Verständnis der Psychodynamik der Patient_innen haben. So wird die Fähigkeit gefördert, beim Umgang mit „schwierigen“ Patient_innen von den eigenen Gefühlen zurücktreten zu können und sich zu fragen, was das „Schwierige“ an den Klient_innen über deren seelische Situation aussagen könnte. Diese Fähigkeit kann die Beziehung zwischen Betreuenden und Betreuten entlasten und zur Qualitätssicherung der Arbeit in Aidshilfen und Drogenprojekten beitragen. Einige zusätzliche Themen aus dem Arbeitsfeld HIV runden das Programm ab.

Die Termine für die Semiarreihe finden sich im Anhang.