Das Potenzial der HIV-Prophylaxe PrEP nicht ins Leere laufen lassen!
Die von der Bundesregierung geplante Finanzierung der HIV-Prophylaxe PrEP für Personen mit substanziellem HIV-Risiko durch die Krankenkassen (aidshilfe.de berichtete) darf nicht unnötig verzögert oder verwässert werden.
Dies fordern die drei großen Fachverbände Deutsche AIDS-Hilfe, Deutsche AIDS-Gesellschaft und Deutsche Arbeitsgemeinschaft niedergelassener Ärzte in der Versorgung HIV-Infizierter in einer gemeinsamen Stellungnahme.
Hintergrund ist das Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG), welches unter anderem die PrEP gesetzlich regelt und zu welchem sich der Bundesrat am 23. November positioniert.
Der Gesundheitsausschuss des Bundesrates hatte im Vorfeld mit knapper Mehrheit Änderungen an den geplanten gesetzlichen Regelungen zur PrEP empfohlen.
Regierungsentwurf will die PrEP für alle Versicherten ab 16 mit substanziellem HIV-Risiko
Das TSVG sieht die Einfügung eines neuen Abschnitts „§ 20 j Präexpositionsprophylaxe“ ins Sozialgesetzbuch V vor. Darin wird geregelt, dass Versicherte ab 16 Jahren mit einem substanziellen HIV-Infektionsrisiko Anspruch auf ärztliche Beratung zur PrEP, die für die PrEP nötigen Untersuchungen und die PrEP-Medikamente haben.
Die Regelungen dazu, wer Anspruch auf die PrEP-Versorgung hat und welche Ärzt_innen die PrEP verschreiben und begleiten dürfen, sollen die Kassenärztliche Bundesvereinigung und der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung in Anlehnung an die Deutsch-Österreichischen PrEP-Leitlinien treffen.
Das Gesundheitsministerium will die Auswirkungen der ärztlichen PrEP-Verordnung auf das Infektionsgeschehen bis Ende 2020 nach allgemein anerkannten wissenschaftlichen Standards evaluieren.
Bundesrats-Gesundheitsausschuss empfiehlt problematische Regeln für die PrEP
- PrEP-Leistungen dürfen nur im Rahmen der Versorgung nach § 140a SGB V erbracht werden. Hierbei handelt es sich um die „Besondere Versorgung“ im Rahmen sogenannter Selektivverträge zwischen einzelnen Krankenkassen und bestimmten Ärzt_innen, wie dies etwa bei der Hepatitis-C-Behandlung der Fall ist. Selektivverträge sollen der Qualität der Versorgung dienen.
- Für die Regelungen zum Kreis der Anspruchsberechtigten und zu den Leistungsvoraussetzungen sollen die Kassenärztliche Bundesvereinigung und der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung eine Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses einholen. Der Bundesrats-Gesundheitsausschuss findet, die im Gesetzentwurf für eine Regelung vorgesehene Frist sei zu knapp bemessen – und könne entfallen. Die Deutsch-Österreichische PrEP-Leitlinie sei zudem nicht evidenzbasiert, zum Teil widersprüchlich formuliert und daher nicht als Grundlage geeignet. Der Ausschuss behauptet außerdem, die Leitlinie schließe Frauen faktisch vom Medikamentenbezug aus, da wegen nicht erhobener Daten keine Empfehlung zum Vaginalverkehr ausgesprochen werde.
- Die Auswirkungen der PrEP sollen bis 2022 statt bis 2020 untersucht werden – den Krankenkassen lägen sonst voraussichtlich nur Daten von drei Abrechnungsquartalen aus dem Jahr 2019 vor.
Aids-Fachgesellschaften kritisieren Empfehlungen des Bundesrats-Gesundheitsausschusses als nicht sachgerecht
Die Deutsche AIDS-Hilfe (DAH), die Deutsche AIDS-Gesellschaft (DAIG) und die Deutsche Arbeitsgemeinschaft niedergelassener Ärzte in der Versorgung HIV-Infizierter (dagnä) kritisieren in einer gemeinsamen Stellungnahme, die Beschlussempfehlung sei nicht sachgerecht, sondern drohe das Potenzial der PrEP als wirksames Mittel gegen HIV-Infektionen zu verzögern und ins Leere laufen zu lassen.
Die Änderungsvorschläge des Ausschusses kommentieren die drei Aids-Fachgesellschaften wie folgt:
- Die PrEP sei bereits seit 2016 zugelassen, die gesetzlichen Krankenkassen hätten also längst Selektivverträge vereinbaren können, was aber nicht erfolgt sei. Für eine flächendeckende HIV-Prävention sei eine kollektivvertragliche Lösung notwendig. Mit Blick auf die Qualitätssicherung schreibe außerdem bereits der TSVG-Entwurf vor, dass die ärztliche Beratung, Untersuchung und Verordnung wegen der Neuheit von PrEP durch Ärztinnen und Ärzte mit besonderen Kenntnissen und Erfahrungen zu erbringen sei.
- Eine Klärung der konkreten PrEP-Umsetzungsschritte über den Bundesmantelvertrag Ärzte sei sinnvoll und bewährt. Außerdem habe sich der Gemeinsame Bundesausschuss in Sachen PrEP im Dezember 2016 für nicht zuständig erklärt. Ein Verzicht auf eine gesetzliche Frist zur Umsetzung im Bundesmantelvertrag Ärzte drohe den politischen Willen, die PrEP in Deutschland effizient zu nutzen, ergebnislos im Sande verlaufen zu lassen. Die im TSVG-Entwurf erwähnten Deutsch-Österreichischen Leitlinien zur HIV-Präexpositionsprophylaxe seien zwar formal tatsächlich nicht evidenzbasiert, ihre tatsächliche Berücksichtigung der wissenschaftlichen Evidenz stehe aber außer Frage. Der behauptete Ausschluss von Frauen werde in der Leitlinie nicht vorgenommen – die PrEP solle vielmehr laut Leitlinien allen Menschen mit substanziellem HIV-Infektionsrisiko angeboten werden. Lediglich von einer anlassbezogenen PrEP – die von einer kontinuierlichen PrEP zu unterscheiden ist –, rate die Leitlinie bei Frauen völlig zu Recht ab, weil es keine wissenschaftlichen Daten für die Wirksamkeit dieser Anwendungsform bei Frauen gebe. Ohne diese Klarstellung würden Frauen einem unangemessenen Risiko durch eine nur beschränkt wirksame PrEP ausgesetzt.
- Sofern die Bundesmantelvertragspartner den vorgegebenen Zeitrahmen einhalten, sei Ende 2020 zur Frist für die Evaluation akzeptabel. Dies spreche ebenfalls dafür, nicht auf eine zeitnahe gesetzliche Frist zur Umsetzung der PrEP im Bundesmantelvertrag Ärzte zu verzichten.
(hs)
Weitere Informationen
Empfehlungen des Gesundheitsausschusses zur 972. Sitzung des Bundesrates am 23. November 2018
Kassenfinanzierung der HIV-Prophylaxe ist Meilenstein (Pressemitteilung der Deutschen AIDS-Hilfe vom 20.07.2018)
HIV-Präexpositionsprophylaxe soll Krankenkassenleistung werden (Meldung auf aerzteblatt.de vom 20.07.2018)
Informationen zur HIV-PrEP auf aidshilfe.de: aidshilfe.de/hiv-prep