Deutsche AIDS-Hilfe zu HIV-Neuinfektionen: Präventionslücken schließen
Die Zahl der HIV-Neuinfektionen in Deutschland betrug 2015 wie im Vorjahr 3.200. Das hat heute das Robert-Koch-Institut in seinem Epidemiologischen Bulletin mitgeteilt.
Dazu erklärt Sylvia Urban vom Vorstand der Deutschen AIDS-Hilfe:
„Verglichen mit anderen europäischen Ländern, liegt die Zahl der Neuinfektionen in Deutschland seit Jahren konstant auf niedrigem Niveau. Das ist ein Erfolg der Prävention. Die Zahl könnte aber noch niedriger sein. Denn zurzeit sind einige hoch wirksame Maßnahmen zur Vermeidung von HIV-Infektionen in Deutschland nicht zugänglich. Wer Neuinfektionen senken will, muss alle wirksamen Mittel verfügbar machen!“
In Einklang mit den Handlungsempfehlungen des RKI fordert die Deutsche AIDS-Hilfe drei wesentliche Erweiterungen der HIV-Prävention in Deutschland:
Die Prä-Expositionsprophylaxe (PrEP), bei der HIV-Medikamente vorbeugend eingenommen werden, verhindert zuverlässig Infektionen bei Menschen mit besonders hohem Risiko. Seit diesem Jahr ist sie in Deutschland verschreibungsfähig, doch für die Finanzierung gibt es bisher keine Lösung. Der zuständige Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) von Ärzten und Krankenkassen äußert sich nicht, der Hersteller Gilead beharrt auf dem hohen Preis von über 800 Euro pro Monat. Die Folge sind vermeidbare HIV-Infektionen."
DAH-Vorstand Sylvia Urban: „Das Kondom bleibt für die meisten Menschen das wichtigste Mittel, um sich vor HIV zu schützen, es reduziert zudem das Risiko anderer Geschlechtskrankheiten. Die PrEP ist jedoch für schwule Männer mit besonders hohem Risiko eine unverzichtbare Ergänzung der Schutzmöglichkeiten. Sie bewahrt Menschen vor einer HIV-Infektion und erspart Therapiekosten. Was wirkt, muss auch zur Anwendung kommen!“
Verfügbarkeit von sauberen Spritzen in Haft: Bei Menschen, die intravenös Drogen konsumieren, sind saubere Spritzen das entscheidende Mittel, um HIV- und Hepatitis-Übertragungen zu verhindern. Das RKI betont, entsprechende Präventionsmaßnahmen müssten verstärkt werden. Die Deutsche AIDS-Hilfe betont: In deutschen Haftanstalten sind bisher keine sauberen Spritzen verfügbar. In Bayern erhalten Häftlinge meist auch keine Substitutionstherapien, so dass Abhängige wieder an der Nadel landen. Aufgrund der Strafverfolgung von Drogenkonsument_innen befinden sich viele von ihnen in Haft, bundesweit ist rund 1% der Häftlinge HIV-positiv, rund 20% sind mit dem Hepatitis-C-Erreger HCV infiziert.
„Menschen einem drastisch erhöhten Infektionsrisiko die Schutzmaßnahmen zu entziehen ist irrational und hoch gefährlich“, sagt DAH-Vorstand Sylvia Urban. „In deutschen Gefängnissen werden HIV- und HCV-Infektionen fahrlässig herbeigeführt.“
Mehr HIV-Test-Angebote, Zugang zur Therapie für alle: Angebote für freiwillige und anonyme HIV-Tests müssen ausgebaut werden, insbesondere für schwule und bisexuelle Männer, Drogenkonsument_innen und Migrant_innen. Denn wenn eine HIV-Infektion diagnostiziert und erfolgreich behandelt wird, kann sie nicht voranschreiten und HIV ist dann nicht mehr übertragbar. Die Deutsche AIDS-Hilfe fordert entsprechend den Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts mit Nachdruck, Menschen ohne Papiere und EU-Ausländern ohne Krankenversicherung endlich den anonymen Zugang zur Therapie zu eröffnen.
„Medizinische Behandlung ist ein Menschenrecht und ein Gebot der Vernunft. Es ist beschämend, dass diese Lücke in der deutschen Gesundheitsversorgung noch immer Bestand hat“, so Urban.
Im Zweifel zum HIV-Test
Knapp 13.000 Menschen in Deutschland wissen nichts von ihrer HIV-Infektion, viele sind schon seit Jahren infiziert. Sie erhalten dementsprechend keine Therapie und es kann zu unwissentlichen HIV-Übertragungen kommen.
„Wer ein HIV-Risiko eingegangen ist, sollte sich testen lassen“, betont Sylvia Urban. Ärztinnen und Ärzte sollten HIV-Tests häufiger anbieten.
Männern, die Sex mit Männern haben, rät die Deutsche AIDS-Hilfe aufgrund der höheren Bedrohung durch HIV zu jährlichen Routine-Checks.
Weitere Informationen:
Versorgung von Menschen ohne Papiere
Die Geschichte einer HIV-Diagnose, die fast zu spät kam