Bundestag beschließt „Prostituiertenschutzgesetz“
Entgegen der Kritik von Sexarbeiter_innen und anderen Expert_innen sowie gegen das Votum der Opposition hat der Bundestag gestern den Entwurf für ein sogenanntes Prostituiertenschutzgesetz angenommen.
Mit dem „Gesetz zur Regulierung des Prostitutionsgewerbes sowie zum Schutz von in der Prostitution tätigen Personen“ soll laut dem federführenden Bundesfrauenministerium das „Selbstbestimmungsrecht von Menschen in der Prostitution“ gestärkt, „verträgliche Arbeitsbedingungen“ geschaffen sowie „gefährliche Auswüchse und kriminelle Begleiterscheinungen durch bessere Überwachungsmöglichkeiten der Behörden“ zurückgedrängt werden. Die Gesetzesnovelle, die 2017 in Kraft treten soll, sieht unter anderem die Einführung einer Erlaubnispflicht für Betreiber_innen von Prostitutionsstätten, eine Anmelde- und Beratungspflicht für Sexarbeiter_innen sowie eine Kondompflicht vor.
Gegen die geplanten Bestimmungen gab es bereits im Vorfeld massiven Protest, so von Sexarbeiter_innen-Organisationen, Fachverbänden und Beratungseinrichtungen, von Gesundheitsämtern, Datenschützer_innen sowie Ländern und Kommunen. Der Berufsverband für erotische und sexuelle Dienstleistungen (BesD) kritisierte das Gesetz als „Instrument zur Abschreckung, Verdrängung und ‚Eindämmung‘ von Sexarbeit“ sowie als Eingriff in die Grundrechte.
Auch die Deutsche AIDS-Hilfe (DAH) hat sich immer wieder öffentlich gegen das ProstSchG ausgesprochen und in einer Stellungnahme auf die drohenden Gefahren für HIV-Prävention und Gesundheitsförderung sowie die Sicherheit von Sexarbeiter_innen hingewiesen. Demnach werde das neue Gesetz – statt Sexarbeiter_innen zu schützen und zu stärken – diese noch zusätzlich stigmatisieren und viele in die Illegalität drängen, wo sie für Beratung und Hilfe kaum zu erreichen sind.
„Eine große Mehrheit von Fachleuten hat sich gegen das Gesetz in dieser Form ausgesprochen – darunter sind auch Bundesbehörden“, sagt Marianne Rademacher, Frauenreferentin der Deutschen AIDS-Hilfe. „Die Regierung ignoriert einfach das Know-how der Expert_innen. Diese Tatsache empört mich besonders, nicht nur als Frauenreferentin der DAH, sondern auch als Bürgerin dieses Staates.“
Nach dem Beschluss des Bundestages haben sich Sexarbeiter_innen- und Menschenrechtsorganisationen, darunter der BesD, die Koordinations- und Beratungsstelle gegen Menschenhandel Ban Ying e.V. sowie Amnesty International Deutschland, erneut zu Wort gemeldet und das ProstSchG in einer gemeinsamen Pressemitteilung als „mit internationalen Menschenrechtsstandards unvereinbar“ bezeichnet.
(Christina Laußmann)
Quelle/weitere Informationen:
Mitteilung auf der Seite des Deutschen Bundestages vom 7. Juli 2016
„Der richtige Weg wäre, an der Stigmatisierung zu arbeiten“ – Interview mit der Sexarbeiterin Johanna Weber auf magazin.hiv vom 18.9.2015
Die Deutsche AIDS-Hilfe zum ProstSchG:
Stellungnahme der Deutschen AIDS-Hilfe zum Gesetzentwurf vom September 2015
„Bundesregierung schützt Koalitionsfrieden statt Prostituierte“, Pressemitteilung der Deutschen AIDS-Hilfe vom 3.2.2016
„Prostituiertenschutzgesetz: neue Gefahren statt Schutz“, gemeinsame Pressemitteilung mehrerer Organisationen vom 21.9.2015
„Koalitionspläne: Prostituierten drohen neue Gefahren“, Pressemitteilung der Deutschen AIDS-Hilfe vom 28.1.2015