20 Jahre HIV-Therapie: Ein langes und erfülltes Leben ist möglich
Kombinationstherapie brachte 1996 den Durchbruch: Ausbruch von Aids lässt sich verhindern / Behandlung schützt auch vor HIV-Übertragung / Aber: 13.000 wissen nichts von ihrer Infektion. / Deutsche AIDS-Hilfe informiert über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der HIV-Behandlung
Vor genau 20 Jahren wurde die Kombinationstherapie gegen HIV der Öffentlichkeit vorgestellt – bei der XI. Internationalen Aids-Konferenz vom 7. bis 12. Juli 1996 im kanadischen Vancouver.
Seitdem ist eine dauerhaft wirkungsvolle Behandlung der HIV-Infektion möglich, eine Aids-Erkrankung lässt sich vermeiden und oft sogar rückgängig machen. Viele Menschen kehrten damals buchstäblich vom Sterbebett zurück ins Leben. „Das AIDS-Wunder“ nannte es der Spiegel.
„Die Einführung der Kombinationstherapie hat alles verändert“, sagt Winfried Holz vom Vorstand der Deutschen AIDS-Hilfe. „Menschen mit HIV können heute nicht nur alt werden, sondern das Leben auch in jeder Hinsicht genießen. Leider wissen viele Menschen noch nichts von diesen Veränderungen.“
Kombinationstherapie verhindert auch HIV-Übertragung
Heute haben HIV-positive Menschen bei rechtzeitiger Diagnose eine fast normale Lebenserwartung. Ihnen stehen alle Möglichkeiten offen: Sie können jeden Beruf ausüben, jeder Freizeitaktivität nachgehen und unbeschwert Sexualität erleben. Wenn sie möchten, können sie auf natürlichem Wege gesunde Kinder zeugen beziehungsweise zur Welt bringen. Denn eine gut wirksame HIV-Therapie verhindert auch die Weitergabe des Virus.
Veraltete Vorstellungen vom Leben mit HIV und irrationale Übertragungsängste führen allerdings noch immer zu Ausgrenzung und Diskriminierung von Menschen mit HIV. Dazu erklärt Winfried Holz:
„Die sozialen Probleme wiegen für die meisten HIV-positiven Menschen heute schwerer als die medizinischen. Die Möglichkeit, ein erfülltes Leben zu führen, wird oft durch Diskriminierung wieder getrübt. Es wird Zeit, dass die Gesellschaft den Fortschritten der Medizin folgt!“
Wer ein Risiko hatte, sollte sich testen lassen
Mehr als 70 Prozent der 83.000 Menschen mit HIV in Deutschland nehmen HIV-Medikamente. Rund 13.000 wissen allerdings nichts von ihrer Infektion – und werden deswegen auch nicht behandelt. Viele verdrängen HIV-Risiken und gehen nicht zum Test – aus Angst vor schwerer Krankheit und Ausgrenzung. Bittere Pointe: Mehr als 1.000 Menschen pro Jahr erkranken genau deswegen an Aids, obwohl es vermeidbar ist.
DAH-Vorstand Winfried Holz:
„Die Botschaft ist klar: Wer ein HIV-Risiko hatte, sollte sich testen lassen – nur so kann man gegebenenfalls die Aids-Erkrankung verhindern. Zugleich müssen wir alles dafür tun, die Diskriminierung von Menschen mit HIV zu beenden und ein realistisches Bild vom Leben mit HIV zu vermitteln.“
Artikelserie zu 20 Jahren Kombi-Therapie
Die Deutsche AIDS-Hilfe würdigt das Jubiläum der antiretroviralen Therapie (ART) – so die heute gängige Bezeichnung – mit einer Artikel-Serie auf www.magazin.hiv. Sie widmet sich dem „Lazarus-Moment“ vieler Kranker von damals ebenso wie dem Alltag mit der HIV-Therapie heute, der aktuellen Forschung und der Frage, ob eine Heilung in absehbarer Zeit denkbar ist. Zu Wort kommen Menschen mit HIV sowie Expert_innen aus Medizin und Aidshilfe-Arbeit.
HIV-Medikamente verhindern Virus-Vermehrung
HIV-Medikamente blockieren die Vermehrung des HI-Virus im Körper. Nach einiger Zeit sind im Blut keine Viren mehr nachweisbar. Zwar befinden sich dann noch HI-Viren in verschiedenen Körperzellen, sie können das Immunsystem aber kaum noch schädigen.
Den Durchbruch brachte 1996 die Kombination von in der Regel drei Substanzen, darunter die damals in Vancouver präsentierten Protease-Hemmer, die verhindern, dass von HIV befallene Körperzellen neue Viren zusammensetzen.
Das erste HIV-Medikament, AZT, ist bereits seit 1987 im Gebrauch. Beim alleinigen Einsatz dieser Substanz entwickelt das HI-Virus aber schnell Resistenzen, wird also unempfindlich gegen den Wirkstoff.