§ 175: Aufhebung der Urteile und Entschädigung sind überfällig

Die Urteile gegen homo- und bisexuelle Männer nach dem Paragrafen 175 StGB waren Unrecht und müssen aufgehoben werden – auch wenn sie nach 1945 in der Bundesrepublik erfolgten. Das geht aus einem Rechtsgutachten hervor, das die Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) heute veröffentlicht hat.

Passend dazu startet heute die Bundesinteressenvertretung schwuler Senioren e.V. (BISS) ihre Kampagne „Offene Rechnung: §175 StGB“. Gemeinsam mit dem Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD) und der Deutschen AIDS-Hilfe (DAH) fordert BISS in einem Positionspapier:

  • die Aufhebung der Urteile
  • die Rehabilitierung und Entschädigung der noch lebenden Opfer
  • eine kollektive Entschädigungszahlung, die der Aufarbeitung des Unrechts und Maßnahmen für Respekt und Akzeptanz dienen soll

„Es gibt keine Ausflüchte mehr!“

Dazu erklärt Manuel Izdebski vom Vorstand der Deutschen AIDS-Hilfe:

„Es gibt keine Ausflüchte mehr. Das Gutachten stellt klar: Die Aufhebung der Urteile nach §175 ist nicht nur eine moralische, sondern auch eine rechtliche Verpflichtung. Die tiefen Verletzungen, die dieser Schandparagraf Menschen beigebracht hat, lassen sich nicht rückgängig machen, die Urteile hingegen müssten längst aufgehoben sein. Dass die Opfer bis heute als vorbestraft gelten, ist unerträglich, sie verdienen eine Entschuldigung und Entschädigung!“

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat bereits seit 1981 mehrfach festgestellt, dass die Bestrafung homosexueller Handlungen schwere Menschenrechtsverletzungen waren und sind.

Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) hat sich 2014 dafür ausgesprochen, dass sich die Bundesrepublik zu ihrer Schuld bekennen muss. Doch aufgehoben wurden bisher nur die Urteile aus der Nazi-Zeit, nicht jene aus der Bundesrepublik, die noch lange Zeit nach demselben Paragrafen erfolgten.

„Dass Unrecht nach einem nationalsozialistischen Gesetz bis heute fortgeschrieben wird, ist ein Skandal!“, betont Izdebski.

50.000 Urteile nach der Nazi-Zeit

Der §175 bestand in der von den Nazis verschärften Fassung bis 1969 fort, endgültig abgeschafft wurde das Gesetz nach mehreren Reformen erst 1994. Mehr als 100.000 Männer wurden in der Bundesrepublik nach diesem Paragrafen verfolgt, mehr als 50.000 verurteilt.

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Pressemitteilung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes

Offener Brief der Bundesarbeitesgemeinschaft Schwuler Juristen (BASJ) an Bundesjustizminister Heiko Maas vom 17. Oktober 2016