Zivilgesellschaftliche Organisationen zu HIV/Aids: Jetzt handeln!
Nach über 30 Jahren der Epidemie ist ausreichend belegt, welche Interventionen in Bezug auf HIV wirksam sind und welche nicht. Trotzdem breitet sich die Epidemie in Europa weiterhin aus. Das HIV/AIDS Civil Society Forum der Europäischen Union, ein Zusammenschluss zivilgesellschaftlicher Organisationen, fordert die politisch Verantwortlichen in Europa darum erneut dazu auf, wissenschaftlich erprobten Strategien statt Ideologien zu folgen. Die europäischen Regierungen müssen ihrer Verantwortung nachkommen, Menschenrechte und öffentliche Gesundheit voranzubringen.
EU-Konferenz zu HIV/Aids in Rom
Anlass dieser Forderung ist eine EU-Konferenz, die am 27. und 28. November in Rom stattfindet, und dient einer Überprüfung der bisherigen Maßnahmen zur Eindämmung von HIV/Aids in Europa. Sie steht unter dem Titel: „Kampf gegen HIV/Aids zehn Jahre nach der Dubliner Erklärung: Niemanden zurücklassen – Aids in Europa beenden“.
Europäische Politiker spielen eine entscheidende Rolle, um die HIV-Epidemie zu stoppen, denn sie haben die politischen und ökonomischen Ressourcen, um erfolgreiche Strategien umzusetzen. „Diskriminierung befördert die Epidemie. Mit den richtigen Maßnahmen können Regierungen etwas gegen Diskriminierung ausrichten, um vulnerable Gruppen besser zu schützen“, erklärte Lella Cosmaro, Co-Vorsitzende des HIV Civil Society Forums der EU und Mitglied des Vorstands von AIDS Action Europe.
Was wirkt, ist längt bekannt
Regierungen und Geldgeber müssen verstärkt in innovative und spezifische Ansätze für besonders stark betroffene Gruppen investieren, seien es Männer, die Sex mit Männern haben, Migrantinnen und Migranten, Menschen, die sich Drogen spritzen, Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter, Trans*-Menschen oder Gefangene.
Wo immer Strategien umgesetzt wurden, die auf wissenschaftlich erprobten Methoden, den Menschenrechten und umfassenden Ansätzen der Schadensminderung basieren, ist die Epidemie eingedämmt worden, während Zwangsmaßnahmen und unzureichende Investitionen in Prävention und soziale Dienstleistungen zur Verschärfung der Epidemie beigetragen haben. Prävention bei Männern, die Sex mit Männern haben, und bei Menschen mit Migrationshintergrund erfordert innovative Ansätze, um den in Europa noch immer anhaltenden Anstieg der Infektionen umzukehren. (In Deutschland ist die Zahl der Neuinfektionen seit 2006 stabil.)
EU und Regierungen müssen Verantwortung übernehmen
Dringend erforderlich ist der uneingeschränkte Zugang zu Prävention und Behandlung für alle Menschen, unabhängig vom Aufenthalts- oder Versicherungsstatus. Regierungen handeln unverantwortlich, wenn sie Migranten mit ungesichertem Aufenthalt den Zugang verweigern. Europa verletzt Menschenrechte, wenn Schwerkranke in Länder ausgewiesen werden, in denen sie praktisch keinen Zugang zu medizinischer Behandlung haben. Es ist nicht hinnehmbar, dass Menschen in Haft eingeschränkten oder keinen Zugang zu Prävention und Behandlung haben.
Die Europäische Union sollte ihrer Verantwortung gerecht werden und Länder bei der Suche nach Wegen für die Finanzierung ihrer nationalen Strategien gegen HIV, Tuberkulose, Hepatitis C und anderer Infektionen unterstützen. Sie könnte zum Beispiel die Förderung von Modellen ausweiten, die sich als effektiv erwiesen haben, und zur Finanzierung von Prävention, Behandlung und Pflege beitragen.
Medikamente erschwinglich machen
Die Zivilgesellschaft ruft die europäischen Regierungen dazu auf, Möglichkeiten des Zugangs zu erschwinglichen Medikamenten und zur Erkennung von HIV, Virushepatitis und Tuberkulose zu finden. 2014 wurde neue Medikamente gegen Hepatitis C zugelassen, doch die Regierungen sind bisher nicht in der Lage, erschwingliche Preise für diese Medikamente durchzusetzen. Sogar in reicheren Ländern können die Gesundheitssysteme die von den Firmen geforderten Preise nicht dauerhaft tragen. Das hat dazu geführt, dass Regierungen den Zugang zur Behandlung rationieren oder schlicht nicht in der Lage sind, sie überhaupt zugänglich zu machen.
„Dass der Zugang zur Heilung einer Infektionskrankheit wegen des Preises beschränkt ist oder einfach nicht existiert, ist aus Sicht der Menschenrechte und der öffentlichen Gesundheit ein politischer Skandal“, sagt Tamás Bereczky, Co-Vorsitzender des HIV/AIDS Civil Society Forums der EU und Mitglied im Vorstand der European AIDS Treatment Group.
Das HIV/AIDS Civil Society Forum der Europäischen Union, Rom, 27. November 2014