Mississippi-Baby doch nicht geheilt
Die Heilungsforschung erhält einen Dämpfer: Beim einem als geheilt geltenden Mädchen sind erstmals wieder HI-Viren nachgewiesen worden. Trotzdem bleibt die Geschichte ein Erfolg.
Es war eine Sensation: Im März 2013 berichtete auf der Retroviruskonferenz CROI in Atlanta die Wissenschaftlerin Deborah Persaud über die wahrscheinliche Heilung eines Kindes. Das bei der Geburt mit HIV infizierte Mädchen wurde 18 Monate mit HIV-Medikamenten behandelt. Nach Absetzen der Therapie konnte kein Virus mehr festgestellt werden, das Kind galt als geheilt. Anfang Juli wurden nun erstmals wieder Viren nachgewiesen. Der Traum von der ersten Heilung bei einem Kind ist geplatzt.
Es war ein Familiendrama, das Medizingeschichte schrieb. Was schief laufen konnte, lief schief: Die Mutter war nicht in der Schwangerenvorsorge, ihre HIV-Infektion wurde erst bei der Geburt festgestellt. Weder wurde ein Kaiserschnitt durchgeführt, noch erhielt die Frau vor oder während der Geburt Medikamente gegen HIV. Auch das Kind bekam nach der Geburt keine medikamentöse Vorsorge, die eine HIV-Infektion nach einem Risikokontakt noch verhindern kann. Darauf war das kleine Krankenhaus in Mississippi nicht eingestellt. Nach 30 Stunden erst kam das Kind in die Universitätsklinik.
Therapieunterbrechung für ein halbes Jahr
Diese Aneinanderreihung von Fehlern führte dazu, dass man sich nach Ankunft in der Uni dazu entschloss, das Kind mit einer kompletten antiretroviralen Therapie zu behandeln und nicht wie sonst üblich, mit einer schwächeren „Prophylaxe“. Blutproben zeigten dann auch: Das Kind war tatsächlich infiziert.
18 Monate blieb das Kind in Behandlung, dann verschwand die Mutter mit ihrer Tochter spurlos, die Behandlung war damit ein halbes Jahr unterbrochen. Normalerweise würde in diesem Fall die Virusvermehrung wieder einsetzen. Doch als die Mutter das Kind schließlich doch wieder vorstellte, ließ sich kein Virus nachweisen.
Anscheinend hatte die sehr frühe Therapie dazu geführt, dass sich HIV nur in wenigen Zellen im Körper festsetzen konnte. Und diese Zellen schienen während der 18-monatigen Therapie alle abgestorben sein. Neue Viren konnten nicht entstehen, weil die Therapie die Vermehrung von HIV blockiert.
HIV überdauert in „Schläferzellen“
In Untersuchungen war mit allen verfügbaren Verfahren kein Virus mehr nachweisbar. Aber selbst durch „Spezialuntersuchungen“ kann nicht ausgeschlossen werden, dass es in einem Lymphknoten oder in der Darmschleimhaut noch irgendwo ein paar Zellen gibt, die Virus enthalten, ohne dass HIV sich von dort aus vermehrt. Die Lebensdauer solcher „latent infizierten Zellen“ oder „Schläferzellen“ kann extrem lang sein. HIV überdauert in diesen Reservoiren, ohne aktiv zu sein. Solange sie kein Virus produzieren, werden sie auch nicht auffällig. Virusproduzierende Zellen nämlich zeigen an ihrer Oberfläche Teile der Viren und machen so das Immunsystem auf sich aufmerksam.
Nun scheint beim Mississippi-Baby nach zwei Jahren so eine ruhende infizierte Zelle aufgewacht zu sein und hat wieder Virus produziert. Und da das Kind keine HIV-Therapie einnahm, konnten auch andere Zellen rasch infiziert werden. Die Viruslast lag bei der Routineuntersuchung bei 16.750 Viruskopien pro Milliliter Blut, drei Tage später in der Kontrolluntersuchung bei 10.564 Kopien pro Milliliter. Und nicht nur das: Wie bei einer HIV-Infektion üblich, sank die Zahl der Helferzellen ab. Und zum ersten Mal konnte man bei dem Kind Antikörper nachweisen. (Solange HIV im Körper nicht in nennenswerter Zahl vorhanden ist, bildet das Immunsystem auch keine Antikörper.)
Dämpfer für die Heilungsforschung
Die Untersuchungsergebnisse bedeuten leider, dass das knapp vierjährige Mädchen nun dauerhaft HIV-Medikamente einnehmen muss. Der Traum von einer möglichen Heilung ist geplatzt.
Die Nachricht bedeutet auch einen Dämpfer für die Heilungsforschung. Gerade hatte man begonnen, weltweit nach Kriterien forschen, wann man in ähnlichen Fällen die Therapie probeweise unterbrechen könnte – in der Hoffnung, dass das Virus weg wäre.
Dass es nicht so einfach geht, zeigt nun der Rückschlag beim Mississippi-Kind. Allerdings scheint der Weg auch nicht ganz falsch zu sein. Denn zwei Jahre Virusfreiheit sind schon eine lange Zeit – und man wird sich in der Forschung nun fragen, wie man diese Zeit verlängern könnte. Und man wird bessere Messmethoden zur Suche nach versteckten infizierten Zellen entwickeln müssen.
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