Hormonelle Verhütungsmittel können das HIV-Übertragungsrisiko erhöhen

Eine jetzt veröffentlichte Studie zeigt: Hormonelle Mittel zur Schwangerschaftsverhütung können das Risiko einer HIV-Übertragung nahezu verdoppeln

Die medizinische Fachzeitschrift The Lancet hat am 4. Oktober eine Studie zum Zusammenhang zwischen hormonellen Verhütungsmitteln und dem HIV-Übertragungsrisiko veröffentlicht. Von 2004 bis 2010 hatten amerikanische und afrikanische Wissenschaftler dafür 3790 heterosexuelle HIV-diskordante Paare (ein Partner HIV-negativ, der andere HIV-positiv) aus Botswana, Kenia, Ruanda, Südafrika, Tansania, Uganda und Sambia beobachtet. Bei 1314 Paaren war die Frau zu Beginn der Studie HIV-negativ, bei 2476 der Mann.

Das wichtigste Ergebnis: Insbesondere die in Afrika weit verbreitete Dreimonatsspritze kann die Wahrscheinlichkeit verdoppeln, dass man sich beim Sex ohne Kondom bei einem HIV-infizierten Partner oder einer HIV-infizierten Partnerin ansteckt, sofern er oder sie keine HIV-Medikamente nimmt. Bei der Dreimonatsspritze handelt es sich um ein Gestagen-haltiges Mittel, das alle zwei bis drei Monate in den Gesäßmuskel gespritzt wird. Angaben zu anderen hormonellen Verhütungsmitteln wie Implantaten, Pflastern oder der Anti-Baby-Pille dagegen könne man nicht machen, so die Forscherinnen und Forscher – hier seien weitere Untersuchungen erforderlich. Ihre Empfehlung: Frauen sollten über dieses Risiko und die Notwendigkeit des Kondomgebrauchs zum Schutz vor HIV aufgeklärt werden, Frauen mit einem hohen HIV-Risiko sollten über einen Wechsel zu niedrig dosierten oder nicht hormonellen Verhütungsmitteln nachdenken.

Was aber sind die Gründe für dieses erhöhte HIV-Übertragungsrisiko? Die Forscherinnen und Forscher stellten zum einen eine höhere HIV-Konzentration im Genitaltrakt von HIV-infizierten Frauen fest, solange diese die Verhütungsspritze einsetzten – das würde das Risiko für HIV-negative Männer erklären. Das höhere HIV-Risiko für HIV-negative Frauen könnte auf eine hormonell bedingte höhere Durchlässigkeit der Vaginalschleimhaut für HIV zurückzuführen sein.

Für Marianne Rademacher, Frauenreferentin der Deutschen AIDS-Hilfe, bekräftigen die Ergebnisse die bekannten Präventionsbotschaften: „Allein das Kondom schützt gleichzeitig vor einer Schwangerschaft und vor HIV sowie anderen sexuell übertragbaren Infektionen. Deswegen empfehlen wir, bei Anwendung hormoneller Verhütungsmittel zum Schutz vor einer HIV-Infektion zusätzlich auch Kondome zu verwenden.“ Zugleich unterstreiche die Studie aber auch, dass Menschen mit einer behandlungsbedürftigen HIV-Infektion auch HIV-Medikamente bekommen müssten: „Die Studie mit dem Titel HPTN 052 hat bewiesen, dass die HIV-Übertragungswahrscheinlichkeit durch antiretrovirale Medikamente um 96 Prozent reduziert wird. Die Therapie schützt also in etwa genauso effektiv wie Kondome, welche die Übertragungswahrscheinlichkeit um etwa 95 Prozent verringern.“

UNAIDS, die Aids-Organisation der Vereinten Nationen, will im Januar 2012 ein Expertentreffen veranstalten, um mögliche Auswirkungen der Studienergebnisse auf die Empfehlungen zum Verhütungsmittelgebrauch bei HIV-Infektion zu diskutieren.

(hs)

 

Quelle/weitere Informationen

Zusammenfassung der Studie (in englischer Sprache)

Beitrag im Deutschen Ärzteblatt vom 4.10.2011

Meldung auf aidshilfe.de zur Studie HPTN 052 vom 29.9.2011

Pressemeldung von UNAIDS vom 4.10.2011