Therapie 2.0

Die Vereinte Nationen versprechen allen Menschen mit HIV bis spätestens 2015 eine wirkungsvolle Behandlung. Dazu soll die HIV-Therapie radikal vereinfacht werden

Eine Pille pro Tag muss reichen. Mehr braucht es nicht für eine wirkungsvolle HIV-Behandlung – das findet zumindest Michel Sidibé, Chef von UNAIDS, dem Aidsprogramm der Vereinten Nationen. Eine „radikal vereinfachte“ Therapie soll dafür sorgen, dass spätestens 2015 jeder HIV-positive Mensch wirkungsvolle Hilfe bekommt, sofern er eine Therapie benötigt.

Das ehrgeizige Ziel verkündete Sidibé am 18. Juli zur Eröffnung der Welt-Aids-Konferenz in Wien. Durch einfachere Medikation, einfache Laborkontrollen und verbesserte Zugangsbedingungen wäre eine HIV-Therapie dann in fast jeder Gesundheitseinrichtung möglich, auch in ärmeren Ländern. Ein wichtiger Nebeneffekt: Durch die simplere Behandlung werden neue Infektionen verhindert. Denn ein gut versorgter HIV-Patient ist kaum noch ansteckend.

DAH-Medizinreferent Armin Schafberger kommentiert die als „Therapie 2.0“ angekündigte UNAIDS-Initiative zurückhaltend. „Das ist kein Paradigmenwechsel. Die einzelnen Bestandteile werden seit Jahren diskutiert. Die Therapie ist inzwischen schon so vereinfacht, dass zumindest der Therapiebeginn mit einer Tablette pro Tag möglich ist – jedenfalls in den Industrieländern.“ In ärmeren Ländern hingegen würden noch alte Medikamente mit vielen Nebenwirkungen eingesetzt.

Auch die Verbindung zwischen Therapie und Prävention sei nicht neu. In ihrem Positionspapier „HIV-Therapie und Prävention“ erklärt die DAH bereits 2009 die Therapie auch mit Blick auf sexuelle Begegnungen zu einem wichtigen Element der Prävention. Für umso wichtiger hält Schafberger die Klarstellung von Julio Montaner, dem Präsidenten der Internationalen AIDS-Gesellschaft: Die Entscheidung über eine Therapie hängt weiterhin ausschließlich vom Gesundheitszustand des Einzelnen ab.

Damit erteilte Montaner allen Forderungen eine Absage, die Therapie sofort nach der Diagnose zu beginnen, um die Neuinfektionen in der Gesamtbevölkerung zu senken. „Trotzdem wird die Therapie einen sehr großen Einfluss auf die Prävention haben, wenn alle, die eine Behandlung brauchen, auch Zugang zu antiretroviralen Medikamenten erhalten“, betont Schafberger.

Dass inzwischen 5 Millionen Menschen Zugang zu diesen lebensrettenden Medikamente haben, wertet Schafberger als großen Fortschritt. Die Zahl der Neuinfektionen sei in vielen Regionen der Welt mittlerweile stabil. „Bei keiner anderen Krankheit gibt es solche Erfolge zu vermelden.“ Trotzdem warteten noch immer 10 Millionen HIV-Positive vor allem in ärmeren Ländern vergeblich auf eine Therapie.

Die größten Probleme sieht Schafberger aber nicht auf medizinischem Gebiet: „Stoppen kann den Kampf gegen das HIV-Virus nur noch eine Finanzierungslücke.“ Die weltweite Finanzkrise könne die Gesundheitssysteme der ärmeren Länder empfindlich treffen. Viele stünden schon heute vor dem Kollaps.

„Eine gute HIV-Versorgung braucht mehr als nur Medikamente“, betont Schafberger. „Die Therapie muss überwacht, Begleiterkrankungen wie die Tuberkulose müssen behandelt werden. Wenn nun die nationalen Finanzmittel für Impfungen, Tuberkulose oder andere Erkrankungen wegbrechen, wird auch die HIV-Behandlung darunter leiden.“ (phei)