Pressemitteilung: Bayern missachtet Rechte Gefangener

In einem offenen Brief hat die Deutsche AIDS-Hilfe (DAH) die bayerische Staatsministerin für Justiz, Dr. Beate Merk, aufgefordert, eine angemessene Versorgung heroinabhängiger bayerischer Häftlinge mit Substitutionsbehandlungen sicherzustellen.

Die Substitution mit Ersatzstoffen wie Methadon wird in bayerischen Haftanstalten den meisten Häftlingen vorenthalten. Damit verstößt Bayern gegen die entsprechenden Richtlinien der Bundesärztekammer sowie gegen das Bayerische Strafvollzugsgesetz, nach dem Gefangene eine genauso gute Gesundheitsversorgung erhalten müssen wie Menschen in Freiheit.

In ihrem offenen Brief appelliert die Deutsche AIDS-Hilfe daher an die Bayerische Staatsministerin: „Achten Sie die Menschenrechte inhaftierter Drogengebraucher, sorgen Sie für den Schutz ihrer Gesundheit und ihres Lebens!“

Hintergrund des offenen Briefes sind zwei aktuelle Beschlüsse des Landgerichts Augsburg (siehe Pressemitteilung vom 17.4.2012). Zwei Häftlinge – einer davon HIV-positiv und mit dem Hepatitis-C-Erreger HCV infiziert – hatten geklagt, weil ihnen die JVA Kaisheim eine Substitutionsbehandlung verwehrte. Das Gericht lehnte die Anträge ab, ohne ein unabhängiges fachliches Gutachten einzuholen. Die Begründung des Beschlusses weist zahlreiche fachliche Fehler auf.

Auch die Deutsche Gesellschaft für Suchtmedizin (DGS) hat sich daher mit einer Stellungnahme an Dr. Beate Merk gewendet. Mit Bezug auf einen der Gerichtsbeschlüsse erklärt sie: „Die Urteilsbegründung entspricht nicht dem Stand des medizinischen Wissens und verletzt das Recht des Patienten auf eine angemessene Behandlung.“ Es bestehe „eine grundsätzliche Indikation zur fachgerechten Behandlung, und Behandlungsstandard ist die Substitutionsbehandlung.“

In einem weiteren offenen Brief bittet ein niedergelassener Arzt aus Ulm die Staatsministerin „um Aufklärung“. Einer seiner Patienten war erfolgreich substituiert und stand sogar wieder in einem Arbeitsverhältnis. Nach einem kurzen Rückfall kam er in Haft. „In der JVA wurde er, wie in Bayern wohl üblich, kalt entzogen“ und sei nun „ohne nennenswerte psychologische oder fachärztliche Betreuung“.

Zum erzwungenen Ausstieg aus der Substitutionsbehandlung in Haft merkt die DGS an: „Diese erhöht Gesundheits- und Lebensgefahren des Patienten erheblich.“

Die Deutsche AIDS-Hilfe bittet Staatsministerin Merk um eine Erklärung, warum die Rechte Gefangener auf angemessene Gesundheitsversorgung in Bayern missachtet werden. Unsere Mitgliedsorganisationen vor Ort und wir stehen gerne zu Gesprächen bereit und bieten Unterstützung zur Beseitigung der Missstände an.

Weitere Informationen:

Pressemitteilung vom 17.4.2012: „Deutsche AIDS-Hilfe kritisiert menschenverachtende Gerichtsbeschlüsse“

 

Kommentare

Frau Minister irrt, wenn sie das bestreitet:
Wenn das so wäre, wie die Frau Merk sagt, dann ist es aber sehr seltsam, dass z.B. in der Männerhaftanstalt in Bernau in der mehr als 900 Häftlinge, viele von ihnen auch drogenkrank, einsitzen, keine Substitution erhalten, auch wenn sie vor der Inhaftierung in einem Substitutionsprogramm waren. Ferner ist „kalter Entzug“ nach der Inhaftierung Gang und Gäbe. Frau Minister Merk wäre dumm, wenn sie sagen würde, dass es eine Anweisung gäbe. In Haftanstalten bekommen Häftlinge so gut wie NIE etwas schriftlich auf die Hand. Sie könnten ja leichter zu ihrem Recht kommen!
Übrigens warum sind für die medizinische Versorgung das Justiz- und nicht das Gesundheitsministerium zuständig? Durch „Fachleute“ aus dem Gesundheitsministerium getroffene Entscheidungen, nicht nur zu Drogenkrankheiten sondern auch zu anderen weit verbreiteten Krankheiten in Haftanstalten wie z. B. Hepatiten und nicht von den ewigen „nur Wegsperrern“.