Jubiläum im Waldschlösschen: das 150. bundesweite Positiventreffen

Menschen mit HIV und Aids lebten 1986 in einer in vielerlei Hinsicht belastenden Ausnahmesituation. Die medizinische und psychosoziale Versorgung war kaum entwickelt, ein Selbsthilfe-Netzwerk von Positiven allenfalls rudimentär vorhanden.

Zugleich fühlten sich Positive und Erkrankte durch die mediale Aidshysterie gesellschaftlich an den Pranger und ins Abseits gestellt.

Unter diesem Eindruck luden im April 1986 Jörg Sauer und Bernd Flury zu einem Treffen ins schwule Tagungshaus Waldschlösschen in Reinhausen bei Göttingen. Zum ersten Mal sollten sich Menschen, die mit dem Virus leben, in einem geschützten Rahmen treffen und sich austauschen können. Viele der 39 Teilnehmer, die aus dem ganzen Bundesgebiet angereist waren, hatten auf diese Weise erstmals überhaupt die Gelegenheit, andere Positive kennenzulernen.

Inzwischen sind die bundesweiten Positiventreffen, die wegen der großen Nachfrage gleich mehrmals im Jahr angeboten werden, zu einer festen Größe innerhalb der Positivenselbsthilfe-Bewegung geworden. An diesem Wochenende findet nun das 150. Treffen statt.

Organisiert seit 1988 vom Verein Positiv e.V. und finanziell unterstützt von der Deutschen AIDS-Hilfe, ermöglichen die bundesweiten Positiventreffen seit jetzt 26 Jahren nicht nur Begegnungen und Erfahrungsaustausch, sondern bieten auch Weiterbildung in medizinischen und  sozialrechtlichen Fragen sowie Körperarbeit- oder Malworkshops.

Viele Tausend Menschen haben schon an den Treffen teilgenommen, sich über Patienten- und Sozialrecht und neurologische Erkrankungen informieren lassen, über Trauerkultur, verantwortliche Sexualität und Kriminalisierung diskutiert oder Entspannungs- und Massagetechniken erlernt.

Die Programme der Treffen sind so vielfältig wie die Teilnehmer und Dozenten. Um den jeweils besonderen Lebenssituationen von jungen, älteren und Langzeitpositiven gerecht zu werden, gibt es für diese Zielgruppen inzwischen auch gesonderte Treffen. Am kommenden Wochenende geht es speziell um HIV-Positive, die im Erwerbsleben stehen.

Neben Workshops und Diskussionsrunden zu „Karriereplanung mit HIV“, „Aspekten des Schwerbehindertenrechts“ und „Coming-out am Arbeitsplatz“ wird es am Samstag, den 31. März ab 20 Uhr einen Festakt zum Positiventreffen-Jubiläum geben.

Als Redner werden dazu in der Akademie Waldschlösschen unter anderem die DAH-Geschäftsführerin Silke Klumb und Stephan Jäkel, Leiter der Abteilung „HIV und Hepatitis“ von der Schwulenberatung Berlin erwartet.

Wolfgang Vorhagen von der Akademie Waldschlösschen, der von Anbeginn alle Treffen mitorganisierte, wird die Geschichte der Veranstaltung Revue passieren lassen. Und von Matthias Hinz, ehemaliges Mitglied von Positiv e.V. und in vielfältiger Weise über lange Jahre aidspolitisch aktiv, wird eine sicherlich anregende Rück- und Vorschau auf die positive Selbsthilfe zu erwarten sein. 
(sho)

Weiterführende Links:

Chronik aller bisherigen bundesweiten Positiventreffen

Blogbeitrag von Wolfgang Vorhagen (positiv e.V.): „Gelebte Vielfalt, gelebte Selbsthilfe“