Neues vom Vorstand
Was tun gegen rechts?
Unter diesem Titel hatte die neu gegründete AG „Solidarität gegen rechts“ der Bundesgeschäftsstelle Ende Februar zu zwei ersten Online-Austausch-Meetings eingeladen, an denen Kolleg*innen aus fast 30 Mitgliedsorganisationen teilnahmen. Im Vordergrund standen die Situation vor Ort und die Frage, welche Strategien und Ideen es dort bereits zum Umgang damit gibt und welcher Unterstützungsbedarf an den Dachverband adressiert wird.
Viele Teilnehmer*innen berichteten von zunehmenden queerfeindlichen Anfeindungen auf CSDs und von Seiten der Schüler*innen in der Youthwork, von Angriffen auf Geflüchtete und queere Jugendgruppen, von einem Gefühl der Bedrohung, von rechtem Gedankengut unter Klient*innen und Mitarbeiter*innen. Als besonders belastend wird erlebt, dass
- Klient*innen und Ratsuchende sich gegenüber Mitarbeiter*innen rassistisch und diskriminierend äußern
- es innerhalb von Klient*innengruppen verstärkt zu Konflikten kommt (z.B. Drogengebrauchende gegen Migrant*innen)
- die Aidshilfe-Szene kein Safer Space (mehr) ist und das gesamte politische Spektrum abdeckt
- Menschen, die sich eindeutig rechtsextrem äußern oder sogar mit Nazi-Tattoos zu Begegnungsangeboten kommen, die Lebensweisenakzeptanz von Aidshilfe für sich beanspruchen wollen.
Als besondere Herausforderung betrachteten die Kolleg*innen außerdem die hohe Professionalität und Reichweite rechter Social-Media-Auftritte und die Schnelligkeit, mit der Hasskommentare auf eigene Inhalte gepostet werden. Nicht zuletzt wächst die Angst, dass rechte Politiker*innen in Gremien mehr Einfluss auf die Verteilung öffentlicher Mittel gewinnen.
Auch wenn bisweilen Erschöpfung und Ratlosigkeit Raum gewinnen: In den Mitgliedsorganisationen zwischen Rostock und Schwäbisch Gmünd passiert bereits sehr viel. Die Kolleg*innen besuchen Resilienz-, Selbstbehauptungs- und Deeskalationskurse, sie entwickeln Awareness- und Schutzkonzepte, bauen Kontakte mit engagierten Polizist*innen auf, nehmen an runden Tischen mit örtlichen Behörden und Vereinen teil, sind Teil von Bündnissen gegen rechts und beziehen Stellung, wo sie können.
Für die Teilnehmenden war es wichtig, sich zu vergewissern: Wir sind in der Mehrheit, wir können den demokratie- und menschenfeindlichen Kräften etwas entgegensetzen! Vom Bundesverband wünschen sie sich u.a. Schulungen zu Social-Media-Strategien, zum Umgang mit rechten Haltungen in der alltäglichen Arbeit und zu Wirkweisen und Zielsetzungen rechter Parteien. Ein großes Anliegen war es auch, eigene Social-Media-Contents zum gemeinsamen Teilen zu produzieren, die zeigen, wofür wir stehen. Und es gilt, Raum für Auseinandersetzungen zu schaffen – z.B. zu der Frage, wo die Grenzen von Lebensstilakzeptanz verlaufen.
Ein ähnliches Bild der Bedrohung von rechts ergab sich auf dem vom LSVD initiierten Präsentreffen überregionaler queerer Organisationen: Auch hier gab es Berichte von tätlichen und verbalen Angriffen – zum Teil mit der Folge, dass sich engagierte Ehrenamtler*innen zurückziehen. Der Fokus bei dem Treffen lag auf den bevorstehenden Landtagswahlen und der Europawahl. Der Gedanke ist hier zum einen, an dem im Koalitionsvertrag versprochenen queerpolitischen Aufbruch anzuknüpfen und die Regierung mit offenen Briefen an Schritte wie die Ergänzung des Art. 3 Grundgesetz, die Reform des AGG oder die Einführung eines diskriminierungsfreien Selbstbestimmungsgesetzes zu erinnern. Zum anderen sollen Menschen z.B. von Laufgruppen auf den CSDs zum Wählen motiviert werden. Der Austausch geht weiter; das nächste Treffen soll im April stattfinden und wird dann vom CSD Deutschland e.V. organisiert.
Parlamentarisches Frühstück
Lobbyarbeit um 7.30 Uhr: In diesem Format wollen wir am 9. April mit Bundestagsabgeordneten über folgende Themen ins Gespräch kommen:
- Versorgung: Wie lassen sich Ausfälle bei Medikamenten in Zukunft verhindern?
- Drogenpolitik: Während der Crack-Konsum zunimmt und Fentanyl in Deutschland angekommen ist, mangelt es in den Drogenhilfen vor Ort sogar an Basics wie sterile Spritzen – was muss passieren?
- Sexarbeit: Was unsere Studie zu gesundheitlichen Bedarfen bei Sexarbeiter*innen uns lehrt
- Koalitionsvertrag: Wann und wie kommt die Versorgung von Menschen ohne Krankenversicherung und Aufenthaltspapiere?
Eingeladen sind Mitglieder des Gesundheits- und des Menschenrechtsausschusses, die queerpolitischen und haushaltspolitischen Sprecher*innen von SPD, CDU/CSU, FDP, Linken und BSW, die Berichterstatter*innen für den Haushalt, die Beauftragten für Drogen und Sucht, Queerpolitik und Antidiskriminierung sowie Vertreter*innen von BMG und BZgA. Über die Ergebnisse werden wir berichten.
AIDS 2024
Die Planungen für die Community-Beteiligung an der Welt-Aids-Konferenz am 22. bis 26. Juli in München laufen auf vollen Touren: In unserem Slack-Kanal sammeln mittlerweile 130 Menschen Ideen für Aktionen in der Networking Zone und an unserem Stand im Global Village, für die wir inzwischen eine Zusage haben. Die ersten Fördermittelanträge sind ebenfalls bewilligt, sodass wir bald in der Community eine Abfrage starten können, wer in München dabei sein möchte und Zuschüsse für die Reise und den Aufenthalt benötigt.
Gemeinsame Datenerhebung der Checkpoints
Nach einer kleinen Verzögerung ist es nun endlich soweit: Im April startet der Wechsel von QuestionPro zum neuen Tool von LimeSurvey. Das neue Tool erfüllt viele der Bedarfe, die in einer Online-Umfrage erhoben und zuvor im Kreis der teilnehmenden Projekte zusammengetragen wurden. So bietet es u.a. einrichtungsbezogene Auswertungsoptionen, die Möglichkeit einer digitalen Ergebnismitteilung und eine Zusammenfassung der wichtigsten Antworten der Ratsuchenden. Der neue Fragebogen wurde im Kreis der Beteiligten abgestimmt und lässt ebenfalls individuelle Anpassungen zu. Die Checkpoints können entscheiden, ob sie am 10. oder 24. April mit LimeSurvey starten, und werden vorab online geschult.
Let’s talk about Sex - Reloaded
Zwei aktuelle Studien zeigen, dass knapp 96 Prozent der Männer und knapp 92 Prozent der Frauen beim Arztbesuch noch nie Fragen im Sinne einer Sexualanamnese gestellt wurden und Hausärzt*innen bei Frauen selten allgemeine und noch seltener auf STI fokussierende Sexualanamnesen durchführen. Es braucht als dringend eine Verbesserung der Aus- und Fortbildungsschwerpunkte in diesem Bereich für Medizinstudierende und praktizierende Ärzt*innen.
Die Studien decken sich mit den Ergebnissen der Bedarfsverifizierung 2023 des externen Evaluationsinstitutes iSPO für unser Projekt Let’s talk about Sex (LTAS): Die Fortbildungsinhalte unseres Programmes sind ausgezeichnet, mehr Fortbildungen werden benötigt.
Die von iSPO und LTAS von November 2023 bis Februar 2024 erhobene Community Online-Befragung zu Erfahrungen in der Kommunikation mit Ärzt*innen über Sexualität und sexuelle Gesundheit wird momentan ausgewertet. Auch hier zeichnet sich ab, dass Kommunikation über Sexualität in der medizinischen Kommunikation starker Verbesserung bedarf und häufig von Diskriminierungserfahrungen geprägt ist. Eine Ausnahme stellen hier größtenteils die Checkpoints sowie HIV-Schwerpunktärzt*innen dar.
Aufs Ganze sehen: Verbandsprojekt Gesund in Haft
Anfang März waren die Kolleg*innen zum Online-Auftakttreffen der Kampagne „Gesund in Haft“ eingeladen, bei dem die Koordinatorin Gesine Joseph Eckpunkte und Hauptideen vorstellte und mit den Teilnehmenden diskutierte. In diesem Jahr werden Fact Sheets im Mittelpunkt stehen, die für unterschiedliche Fokusgruppen die Potentiale der Substitutionsbehandlung, der Testung und Behandlung sowie der Konsumutensilienvergabe in Haft verdeutlichen sollen. Darüber hinaus soll die gesetzliche Krankenversicherung für Inhaftierte auf unterschiedlicher Ebene thematisiert werden.
In Stichworten
Die DAH unterstützt die Forderung nach der Novellierung des Gesetzes zum Schutz vor Konversionsbehandlungen sowie eine neue Beschwerde und Klage gegen die Übermittlungspflicht § 87 AufenthG .