Weniger HIV-Neuinfektionen und Spätdiagnosen
Der Rückgang der Neuinfektionen setzt sich fort, insbesondere bei schwulen und bisexuellen Männern. Gestiegene Testbereitschaft führt zu früheren Diagnosen.
Die Zahl der HIV-Neuinfektionen in Deutschland ist weiter rückläufig. 2018 haben sich nach Schätzung des Robert-Koch-Institut (RKI) rund 2.400 Menschen mit dem HI-Virus infiziert – etwa 100 weniger als im Vorjahr. In der am stärksten betroffenen Gruppe der schwulen und bisexuellen Männer ist im Vergleich zum Jahr 2012 ein Rückgang von 27 Prozent zu verzeichnen.
Der Grund für diesen Trend: HIV wird seit einigen Jahren früher behandelt, und unter Therapie ist das Virus nicht mehr übertragbar. Zudem gingen Männer, die Sex mit Männern haben, tendenziell häufiger zum HIV-Test, so dass die Diagnose in manchen Fällen früher erfolge, so das RKI.
Anstieg bei Drogenkonsument_innen
Ein Anstieg ist seit dem Jahr 2012 bei den Infektionen durch intravenösen Drogenkonsum zu beobachten. Die Gründe sind laut RKI vielfältig. Ein Grund könnten neue Substanzen sein, die häufiger konsumiert werden. Im kommenden Jahr soll eine bundesweite Studie weitere Erkenntnisse bringen.
Etwa 530 Menschen haben sich in Deutschland auf heterosexuellem Weg mit HIV infiziert, 330 Frauen und 200 Männer. Bei den Frauen ist ein leicht rückläufiger Trend zu verzeichnen, bei den Männer erhöhte sich die Zahl in den letzten Jahren.
Die Anzahl der HIV-Erstdiagnosen bei Menschen nicht deutscher Herkunft, die sich außerhalb Deutschlands infiziert haben, lag im Jahr 2018 bei etwa 800 und ging damit weiter zurück.
Die Zahl der Menschen, die in Deutschland mit HIV leben, ist 2018 auf 87.900 gestiegen. Das liegt daran, dass die Zahl der Neuinfektionen höher liegt als die Zahl der Todesfälle, die sehr stark zurückgegangen ist, seit HIV gut behandelt werden kann.
Spätdiagnosen leicht gesunken
10.600 der HIV-positiven Menschen in Deutschland wissen noch nichts von ihrer Infektion. Rund 1.000 erhielten 2018 ihre Diagnose erst, als sie bereits an Aids oder einem schweren Immundefekt erkrankt waren – obwohl dies heute durch eine Therapie vermeidbar wäre. 37 Prozent der Erstdiagnosen waren 2018 so genannte Spätdiagnosen, bei 15 Prozent erfolgte die HIV-Diagnose erst im Vollbild Aids.
Bei den Spätdiagnosen zeichnet sich allerdings eine Trendwende ab: Das RKI meldet für 2018 eine um 100 Fälle niedrigere Zahl als für 2017. Die Zahl der schwulen und bisexuellen Männer, die nichts von ihrer Infektion wissen, ist in Großstädten erstmals gesunken.
„Erfreulicherweise zeigen Kampagnen und neue Testangebote offenbar Wirkung. Doch diese Erfolge sind nur ein Anfang“, betont Sylvia Urban vom Vorstand der Deutschen Aidshilfe (siehe Pressemitteilung).
UNAIDS-Ziele noch nicht erreicht
Von den Menschen, bei denen HIV bereits diagnostiziert wurde, erhielten 2018 rund 93% eine antiretrovirale Therapie, 95% dieser Behandlungen verlief so erfolgreich, dass HIV mit den üblichen Methoden nicht mehr nachweisbar war.
UNAIDS hat als Etappenziel bis zum Jahr 2020 ausgegeben, dass 90 Prozent aller HIV-Infektionen diagnostiziert sein sollen, 90 Prozent davon behandelt und davon wiederum 90 Prozent so erfolgreich, dass HIV nicht mehr nachweisbar ist. Dieses 90-90-90-Ziel hat Deutschland noch nicht erreicht, weil nur 88 Prozent der HIV-Infektionen schon diagnostiziert sind.
Testmöglichkeiten ausweiten
Um noch mehr HIV-Infektionen früher zu diagnostizieren, empfiehlt das Robert-Koch-Institut, Testangebote auszubauen und für bestimmte Gruppen den HIV-Selbsttest zu bewerben.
Auch sollten niedergelassene Ärzt_innen verstärkt Tests auf HIV und andere sexuell übertragbare Infektionen anbieten.
Um Aidserkrankungen und weitere HIV-Infektionen zu verhindern, sollten laut RKI alle in Deutschland lebenden Menschen mit HIV Zugang zu einer Behandlung erhalten. Menschen ohne Aufenthaltspapiere und EU-Bürger_innen ohne gültige Krankenversicherung sind davon zurzeit faktisch ausgeschlossen.
(ascho/howi)
Weitere Infos
„Epidemiologisches Bulletin“ (14. November 2019/Nr. 46)
Eckdaten zu HIV/Aids in Deutschland