Mit vielen neuen Gesichtern in die neue Amtsperiode - Delegiertenrat konstituiert sich

In seiner Novembersitzung hat sich der Delegiertenrat, in dem sich mit zwölf neuen Mitgliedern ein großer personeller Wechsel vollzogen hat, neu konstituiert und die Themengebiete der neuen Legislaturperiode festgelegt. Erfreulich war, dass neben diesen Aufgaben auch ein sehr großes Zeitfenster für inhaltliche Diskussionen zur Verfügung stand.

Nach der Vorstellung von Arbeitsweisen und Diskussion zu den Berichten der Delegierten wurden die Hauptthemenfelder für das kommende Jahr festgelegt. Einen großen Schwerpunkt wird der Reflexionsprozess mit dem damit ggf. verbundenen Umbau von Gremien einnehmen. Der vorhergehende Delegiertenrat hat diesen Prozess auf Wunsch der Mitgliederversammlung 2010 begonnen. Die weitere Diskussion wird zeigen, welche Strukturen für eine effektive und effiziente Gremienarbeit notwendig sind.

Schwerpunkte für die Amtsperiode

Ebenfalls Schwerpunktthema wird das Zukunftsmodell sein. Hierbei wird es Aufgabe des Delegiertenrates sein, den in 2010 begonnenen Diskussionsprozess der vorliegenden sieben Thesen zum einen weiter zu begleiten, zum anderen aber auch die Ergebnisse der Diskussionen zu sichten und einen Vorschlag zur Integration der Diskussionsergebnisse in das Zukunftsmodell zu erarbeiten. In diesem Zusammenhang bitten wir alle Mitgliedsorganisationen und Ebenen des Verbandes, uns ihre Diskussionsergebnisse (falls noch nicht geschehen) zur Verfügung zu stellen. Dies kann über Annette Fink (annette.fink@dah.aidshilfe.de) erfolgen.

Das Leitbild sowie die Verbandsidentität werden von der Arbeit der vergangenen Jahre, auch von der Diskussion des Zukunftsmodells, beeinflusst und verändert. Damit es nicht zu konträren Veröffentlichungen kommt, wird der Delegiertenrat prüfen und diskutieren, an welchen Stellen Ergebnisse der innerverbandlichen Diskussion zu Veränderungen des Leitbildes führen.

Dem Thema Wertschätzung wird sich der Delegiertenrat nochmals widmen.

Ausschüsse und Arbeitsgruppen

Die Bearbeitung der Themen erfolgt in Arbeitsgruppen, auf die sich die Delegierten aufgeteilt haben.

Neben den Arbeitsgruppen zu Schwerpunktthemen haben sich die Ausschüsse „Mitgliedschafts- und Konfliktfragen“, „Geschäftsordnung und Satzung“, sowie die Arbeitsgruppe Finanzen zur Wahrnehmung der permanenten Aufgaben des Delegiertenrates gebildet.

Als Mitglieder der Haushaltskommission wurden Patrik Maas, David Leyendecker und Thomas Wilde gewählt. Stellvertretendes Mitglied der Haushaltskommission ist Rainer Schilling.

Neu zu benennen waren die Mitglieder der Auswahlgruppe für die Vergabe der von ViiV-Healthcare zur Verfügung gestellten Fördermittel. Es wurden benannt: Kelly Calvacanti (thematische Delegierte), Uschi Weiland (Landesdelegierte), Klaus Koch (Ausschuss Mitgliedschafts- und Konfliktfragen) und Rolf Ringler (Stimmgruppen-Delegierter).

Neue Sprecher

Verabschieden musste sich der Delegiertenrat von seinem langjährigen Sprecher Ricardo Schulze und dem stellvertretenden Sprecher Klaus Stehling. Beide standen für eine Wiederwahl nicht zur Verfügung. Wir bedanken uns bei beiden auch noch mal auf diesem Weg für die Arbeit der vergangenen Jahre, die sie immer mit vollem Engagement für den Delegiertenrat geleistet haben.

Als neuer Sprecher des Delegiertenrates wurde Ulf Hentschke-Kristal gewählt; als stellvertretender Sprecher Thomas Wilde.

Obwohl in diesem Bericht schon sehr viel Raum für die Berichterstattung über Strukturelles / Organisatorisches benötigt wurde, stellt dieses nicht den Zeitanteil innerhalb der Sitzung dar.

These zur Selbsthilfe: Beteiligung hat ihren Preis

Nach einem Input durch die HIV-Referentin Heike Gronski diskutierte der Delegiertenrat aus dem Zukunftsmodell die These zur Selbsthilfe[1], die besagt, dass die Interessenvertretung von Menschen mit HIV/Aids auf allen Ebenen eine Kernaufgabe von Aidshilfe ist. Aus Sicht des Gremiums hat die Aidshilfe mit diesem Anspruch einen enormen Spagat zu meistern: Ihre klassischen Selbsthilfeangebote wie Gesprächskreise oder Kochgruppen richten sich in der Regel eher an Hilfebedürftige, während für die Partizipation auf den entscheidenden Ebenen eigentlich Höherqualifizierte gesucht werden. Diese aber haben nicht unbedingt das Bedürfnis, sich in der Selbsthilfe zu engagieren und Beteiligungsmöglichkeiten wahrzunehmen, wenn sie z.B. berufstätig sind und HIV in ihr Leben integriert haben. Wesentliches Ergebnis der Diskussion in Kleingruppen war, dass Partizipation nicht einfach zu haben, aber als Qualitätskriterium der Arbeit unerlässlich ist; wenn Aidshilfe nicht wie eine Behörde handeln wolle, in der kein Korrektiv zugelassen ist, müsse sie Räume und eine Atmosphäre schaffen, in der sich Interessenvertretung organisieren kann und Mitbestimmung strukturiert wird; als ein Beispiel wurde hier die Beteiligung von Positivensprechern an Vorstandssitzungen genannt. Angeregt wurde außerdem, dass die DAH bei der Weiterentwicklung ihres Bildungsangebots hin zu einer „Fortbildungsakademie“ verstärkt Menschen mit HIV Qualifikationsmöglichkeiten bietet.

Situation in Haftanstalten: Was kann Aidshilfe tun?

Einen Überblick zum Thema Haft und die besonderen Problemstellungen aus Sicht der DAH gab Bärbel Knorr. Hervorzuheben sind die unterschiedlichen Bedingungen in den Haftanstalten der verschiedenen Bundesländer für Positive - von dem fast überall nicht möglichen Spritzentausch über nicht durchgeführte Substitution bis zum sogenannten Umschlusserlass in NRW, der es Positiven nur erlaubt, am Umschluss und damit am sozialen Leben einer JVA teilzunehmen, wenn sie sich outen. Erschreckend auch der Umgang mit der ärztlichen Schweigepflicht, die in fast allen Bundesländern nicht beachtet wird. Neben politischen Forderungen, die schrittweise und wo möglich mit Partnerorganisationen wie amnesty vorangetrieben werden sollen, kann jedoch auch jede Aidshilfe vor Ort etwas tun: Von den bundesweit 286 Justizvollzugsanstalten werden nur 40% durch eine Aidshilfe aktiv betreut. Der Umfang ist recht unterschiedlich und hängt vor allem sehr stark auch vom jeweiligen Bundesland und der Anstaltsleitung ab. Wenn jedoch teilweise Anfragen von Inhaftierten nicht durch die örtliche Aidshilfe angenommen werden, sondern sich der Gefangene letztendlich an die DAH wenden muss, ist das nicht tragbar. Wir, die wir an vielen anderen Stellen gegen Diskriminierung kämpfen, sollten nicht selber diskriminieren und Unterstützung verweigern.

Von „Tätern“ und „Opfern“ – Einstieg in das Thema Kriminalisierung

Jacob Hösl, neuer Delegierter für das Thema Kriminalisierung, gab eine Übersicht über die Entwicklung der Rechtsprechung in Deutschland im Zusammenhang mit der Übertragung von HIV und warf den Blick auch über den Tellerrand hinaus in andere Staaten und den juristischen Umgang dort.
Einblicke erhielt der DR daneben in den Umgang mit „Tätern“ und „Opfern“. Auch beim Thema Kriminalisierung ergeben sich neben politischen Forderungen konkrete Handlungsansätze vor Ort. Die Frage, wie diskriminierungsfrei wir mit „Tätern“ und „Opfern“ bei HIV-Transmissionen umgehen, insbesondere wenn es zu einer juristischen Auseinandersetzung kommt, ist sicherlich in jeder Mitgliedsorganisation zu beantworten. An einem Positionspapier zum Thema „Kriminalisierung“ wird zurzeit in der Bundesgeschäftsstelle gearbeitet. Der Delegiertenrat wird das Thema weiter begleiten.



[1] Keine Prävention ohne Beteiligung; der gesamte Text ist im beigefügten Thesenpapier nachzulesen