Vereinigung Cockpit: Pilot*innen mit HIV können fliegen!
Pilot*innen mit HIV gelten grundsätzlich als fluguntauglich. Der Berufsverband Cockpit e. V. regt nun die Abschaffung dieser überholten und diskriminierenden Vorschriften an.
Dank moderner HIV-Therapien können Menschen mit HIV heute in der Regel jeden Beruf ausüben und sind ebenso leistungsfähig wie ihre Kolleg*innen. Im Berufsalltag des Cockpitpersonals wird dieser Realität jedoch nicht vollständig Rechnung getragen: Die derzeitigen Richtlinien stufen Pilot*innen nach einer HIV-Diagnose pauschal als fluguntauglich ein – unabhängig von ihrem tatsächlichen Gesundheitszustand. Infolgedessen dürfen sie entweder kein Flugzeug mehr steuern oder erhalten nach einem aufwendigen Verfahren lediglich ein stark eingeschränktes Flugtauglichkeitszeugnis. Für Berufseinsteiger*innen mit HIV bleibt der Weg zu einer Karriere als Pilot*in sogar vollständig versperrt.
Positionspapier „Fliegen mit HIV“
Cockpit e.V., der Berufsverband der Verkehrsflugzeugführer*innen in Deutschland, engagiert sich seit 1969 für die Verbesserung der Flugsicherheit aus Sicht der Pilot*innen und setzt sich für die Abschaffung dieser veralteten Auflagen ein. Deren Arbeitsgruppe „Diversity & Social“ hat anlässlich des Welt-Aids-Tages am 1. Dezember 2024 das Positionspapier „Fliegen mit HIV“ veröffentlicht.
Die derzeit EU-weit gültigen medizinischen Regelungen für Pilot*innen, die mit HIV leben, gelten demnach seit 2008 nahezu unverändert und spiegeln nicht den aktuellen Stand der Wissenschaft wider. Wenn die lizenzausstellende Behörde alleine aufgrund des HIV-Status eine Beeinträchtigung der Flugtauglichkeit unterstelle, sei dies darüber hinaus ein Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), so die Pilot*innen-Vereinigung in ihrem Positionspapier.
2018 hatte es in Großbritannien einen ersten Vorstoß zur Änderung der EU-Verordnung gegeben. In der Folge initiierte die Europäische Agentur für Flugsicherheit eine Literaturrecherche zur Flugtauglichkeit von Pilot*innen mit HIV, die jedoch keine klaren Ergebnisse lieferte. Forschungsgelder für die notwendige Folgestudie seien 2022 zwar bereitgestellt und ausgeschrieben, bedauerlicherweise aber nicht abgerufen worden. Seitdem scheint das Interesse der europäischen Akteur*innen an diesem Thema merklich nachgelassen zu haben.
„Wir wollen erreichen, dass diese Gelder für die notwendige Folgestudie nochmals ausgeschrieben werden“, erklärt Tobias Hinsch, Leiter der AG Diversity & Social der Vereinigung Cockpit. „Auf der Welt-Aids-Konferenz in München konnten wir mit mehreren Wissenschaftler*innen ins Gespräch kommen, die großes Interesse daran haben, eine Studie zur medizinischen Flugtauglichkeit von Pilot*innen mit HIV durchzuführen.“
Eine der letzten professionellen Barrieren
Gemeinsam mit dem europäischen Dachverband der Pilot*innengewerkschaften (ECA) plant die Vereinigung Cockpit, den Dialog mit der Europäischen Agentur für Flugsicherheit (EASA) aufzunehmen. Ein erster Schritt könnte jedoch bereits auf nationaler Ebene erfolgen: Deutschland hätte die Möglichkeit, eine Abweichung von den europäischen Vorgaben anzumelden, um so bereits jetzt Verbesserungen für Cockpitpersonal mit HIV umzusetzen – ohne dass ein gesetzgeberisches Verfahren auf EU-Ebene erforderlich wäre.
„Es ist an der Zeit, dass sich auch die Fliegerei der Lebenswirklichkeit von HIV annähert und eine der letzten professionellen Barrieren fällt. Der Zugang zum Cockpit muss Menschen, die mit HIV leben, möglich werden. Die Vereinigung Cockpit setzt sich für eine Aktualisierung der entsprechenden medizinischen Regularien ein. Für diskriminierungsfreie Cockpits und Fliegen ohne Stigmata“, sagt Vivianne Rehaag vom Vorstand der Vereinigung Cockpit e.V.
„Der HIV-Status ist irrelevant für die Arbeitsfähigkeit. Die Frage hiernach darf bei betriebsmedizinischen Einstellungsuntersuchungen nicht gestellt werden“, heißt es in dem Papier. Zudem müsse die nachträgliche Offenlegung des HIV-Status bei der fliegerärztlichen Untersuchung als Beitrag zur Flugsicherheit gewertet werden und deshalb nicht, wie es bisher der Fall ist, berufliche Einschränkungen zur Folge haben.
HIV-Status ist irrelevant für Arbeitsfähigkeit
Um unnötige Ängste und Vorurteile abzubauen und Stigmatisierung entgegenzuwirken, sollten die Fluggesellschaften ihre Personalabteilungen über das Thema HIV informieren und zum Beispiel Gesundheitsprogramme sowie Erste-Hilfe-Schulungen nutzen, um alle Beschäftige über HIV aufzuklären und Unterstützungsangebote aufzzuzeigen.
Die Vereinigung Cockpit spricht sich zudem dafür aus, dass eine HIV-Infektion nicht länger ein Ausschlusskriterium für den Abschluss von Fluguntauglichkeitsversicherungen ist. Des Weiteren sollte die Präexpositionsprophylaxe (PrEP) in den Katalog der für Pilot*innen zugelassenen Medikamente aufgenommen werden. „In Einzelfällen führte selbst die Einnahme von PrEP dazu, dass Pilot*innen ihre Flugtauglichkeit verloren und diese erst nach Vorlage eines negativen HIV-Tests zurückerlangten“, erläutert Tobias Hinsch.
Die Deutsche Aidshilfe (DAH) unterstützt das Positionspapier von Cockpit e. V. „Es wird Zeit, dass der aktuelle Stand des medizinischen Wissens zu HIV sich auch in der Bewertung von beruflicher Tauglichkeit widerspiegelt“, erklärt Kerstin Mörsch von der DAH-Kontaktstelle HIV-bezogene Diskriminierung. „Menschen mit HIV sind nicht per se für bestimmte Berufe ungeeignet oder nur bedingt einsetzbar. Das gilt auch für Pilot*innen.“
(ascho)
Das Positionspapier „Fliegen mit HIV“ ist auf der Webseite der Vereinigung Cockpit e.V. abrufbar. Zur PDF: https://www.vcockpit.de/flight-safety/policies-positionspapiere/#c318