UN-Konferenz zur Drogenpolitik: Einigung auf den kleinsten gemeinsamen Nenner
Auf der zweiten Sondersitzung zum weltweiten Drogenproblem halten die Vereinten Nationen an der Verbotspolitik und der Kriminalisierung von Drogenkonsum fest. Ein Fortschritt allerdings: Drogenabhängigkeit wird als chronische Erkrankung anerkannt.
Das geht aus dem Abschlussdokument hervor, das die UN-Sondergeneralversammlung (UNGASS) bereits gestern, am ersten Tag der dreitägigen Versammlung, verabschiedet hat.
Darin heißt es, die Mitgliedsstaaten sollten „Drogenabhängigkeit als eine komplexe und durch mehrere Faktoren beeinflusste Gesundheitsstörung anerkennen“, die durch einen chronischen und von Rückfällen geprägten Verlauf gekennzeichnet sei.
Zudem ruft das Papier dazu auf, Drogenkonsument_innen Substitutionsbehandlungen zu ermöglichen – allerdings mit der Einschränkung, dass diese „angemessen und mit nationalem Recht vereinbar“ sein müssten.
Auch die Einführung von Spritzentauschprogrammen und anderen Maßnahmen zur Schadensminderung beim Drogenkonsum sind in dem Abschlussdokument verankert. Diese sollen auch in Gefängnissen zugänglich sein, wobei in der Formulierung auf den international gebräuchlichen Begriff „Harm Reduction“ verzichtet wird.
„Dass Drogenabhängigkeit endlich auch von den Vereinten Nationen offiziell als chronische Erkrankung festgeschrieben wird, ist ein kleiner, aber wichtiger Schritt nach vorn. Genauso die Verankerung von Maßnahmen zur Schadensminderung beim Drogenkonsum, die es so deutlich bisher noch nicht gegeben hat – auch wenn der Begriff Harm Reduction leider nicht fällt“, sagt Dirk Schäffer, Referent für Drogen und Strafvollzug der Deutschen AIDS-Hilfe.
„Dennoch sind das, 18 Jahre nach der letzten UNGASS, immer noch viel zu wenige Fortschritte. So werden sich Länder wie Russland und Pakistan, in denen die Substitution verboten ist, durch Formulierungen, die die Vereinbarkeit von Maßnahmen mit den jeweiligen Landesgesetzen voraussetzen, nicht zum Handeln aufgefordert sehen. Eine bittere Enttäuschung dürfte diese Abschlusserklärung außerdem gerade für diejenigen Länder Lateinamerikas sein, die sich für diese UN-Versammlung eingesetzt haben und die am meisten unter dem ‚Krieg gegen die Drogen‘ leiden. Ohne eine Politik, die auf Entkriminalisierung und Regulierung setzt, wird der Drogenkrieg, der oft ein Krieg gegen Drogengebraucher ist, nicht zu stoppen sein“, so Schäffer weiter.
Darüber hinaus enthält das Abschlussdokument keinerlei Kritik an der Todesstrafe, die in vielen Ländern noch für Drogendelikte verhängt wird. Dazu sagt Dirk Schäffer: „Die Todesstrafe ist mit den Menschenrechten nicht vereinbar und sollte von der Weltgemeinschaft in solch einem Dokument auch mit aller Deutlichkeit abgelehnt werden. Die Vereinten Nationen haben hier ganz klar die Chance vertan, ein Zeichen zu setzen und den Druck auf die betreffenden Länder zu erhöhen.“
(Christina Laußmann)
Weitere Informationen:
UN-Resolution zum weltweiten Drogenproblem (englischsprachiges PDF)
„Drogenabhängigkeit ist keine Sünde“, Interview mit Marlene Mortler, Drogenbeauftragte der Bundesregierung und Leiterin der deutschen Delegation auf der UNGASS 2016, auf magazin.hiv
„Von der UNGASS erwarte ich vor allem Ehrlichkeit“, Interview mit der ehemaligen Schweizer Bundespräsidentin Ruth Dreifuss auf magazin.hiv
„UNAIDS fordert eine auf Menschenrechte und Gesundheit fokussierte Drogenpolitik“, Meldung auf aidshilfe.de vom 15. April 2016
„Persönlichkeiten aus aller Welt fordern ein Ende des ‚Kriegs gegen Drogen‘“, Meldung auf aidshilfe.de vom 14.4.2016