„Wir spielen das, was wir am eigenen Körper erlebt haben“

„Wenn ich etwas mit Worten nicht ausdrücken kann, dann tue ich das mit meinem Körper.“ Dieser Satz bringt wohl auf den Punkt, warum Theaterarbeit gerade für Migranten, in deren Communities man nicht über HIV spricht, so wichtig ist. Die Aufklärung über Infektionsrisiken ist dabei nur ein Ziel; es geht auch darum, sich mit Diskriminierungserfahrungen auseinanderzusetzen.

Im Juni hat die Deutsche AIDS-Hilfe (DAH) in Berlin einen Workshop für 16 Frauen und Männer aus unterschiedlichen Migranten-Communities angeboten, die die Bühne für die HIV-Prävention nutzen. Sie wurden von einer Theaterpädagogin angeleitet und nutzten die Möglichkeit, sich auszutauschen und zu erfahren, welche Ideen, aber auch welche Probleme die anderen bei ihren Auftritten haben.

„Im Theater funktioniert vieles non-verbal“, sagt Silvia, eine Workshop-Teilnehmerin aus Berlin. „Gerade Akteure, die nicht so gute deutsche Sprachkenntnisse haben, können sich mimisch sehr gut ausdrücken. Da reicht manchmal ein Blick oder eine Berührung, dann ist vieles schon klar.“

Silvia gehört einer Theatergruppe an, die aus einem Projekt der DAH mit dem etwas sperrigen Titel „Migrantinnen und Migranten als Multiplikator/innen für die HIV/STI-Prävention“ – kurz MuMM - hervorgegangen ist. MuMM startete 2012 in Zusammenarbeit mit Aidshilfen und weiteren lokalen Kooperationspartnern in den Städten Berlin, Freiburg und München. Unterstützt wird die Berliner Gruppe vom Verband für Interkulturelle Arbeit (VIA).

Auch in Freiburg gründeten Migranten im Rahmen des MuMM-Projekts eine eigene Theatergruppe. Sie proben in den Räumen der dort ansässigen Aidshilfe. Bereits seit 2007 machen Akteure des Netzwerks AfroLebenPlus bundesweit „mobiles Aufklärungstheater“.

Die Theaterarbeit bietet für Migranten eine Möglichkeit der Teilhabe und Selbstorganisation: „Wir machen Prävention aus ganz anderer Perspektive“, sagt Melike, eine der Koordinatorinnen von AfroLebenPlus. „Wir wollen nicht, dass uns jemand vertritt und für uns spricht. Es geht uns darum, dass man selbst zur Community gehört, selbst betroffen ist – vielleicht durch Krankheit – und etwas vermitteln will, von dem man selbst Ahnung hat.“

In vielen Migranten-Communities ist eine HIV-Infektion stark mit Tabus belegt. Das erschwert es ihren Mitgliedern, sich in der Prävention zu engagieren. In allen drei Theatergruppen stehen darum Schauspieler mit und ohne HIV-Infektion gemeinsam auf der Bühne. So muss niemand den eigenen Status offenlegen.

Zudem schafft das Theaterspielen auch eine Distanz zu den eigenen Erlebnissen, wie Melike sagt: „Die Form des Theaters gibt uns den Komfort zu sagen, dass wir nur Schauspieler sind. Dadurch können wir uns schützen und trotzdem die eigenen Erfahrungen auf die Bühne bringen.“

Während die Berliner und die Freiburger Gruppe zur allgemeinen Gesundheit aufklären und auf Primärprävention setzen, macht sich die Gruppe von AfroLebenPlus für den Abbau von Stigmatisierung und Diskriminierung von (HIV-positiven) Migranten stark: „Wir spielen das, was wir am eigenen Körper und in unserer eigenen Seele erlebt oder von jemandem gehört haben. Das ist bei uns keine reine Theorie, sondern das, was wir erfahren haben, und das wollen wir anderen Menschen ersparen.“

Die Gruppen sind bereits auf Straßenfesten und Afrikafestivals, in Kirchen und auf Veranstaltungen von Aidshilfen aufgetreten. Interessierte können sie bundesweit für eigene Veranstaltungen buchen.

Christina Laußmann/af

 

Buchungsanfragen unter:

VIA Berlin – Berliner Gruppe (Line Göttke): http://www.via-in-berlin.de/projekte/netzwerkstelle-hiv-und-migration/

AIDS-Hilfe Freiburg – Freiburger Gruppe (Annette Zandt) http://www.aids-hilfe-freiburg.de/de/projekte/mumm.html

AfroLebenPlus – Mobiles Aufklärungstheater: Buchungen über Tanja Gangarova (DAH) tanja.gangarova@dah.aidshilfe.de