SPD-Bundestagsfraktion will regulierte Cannabis-Abgabe an Erwachsene erproben

Ein Positionspapier der Sozialdemokrat_innen im Bundestag erklärt die bisherige Cannabispolitik für gescheitert und fordert Modellprojekte zur regulierten Abgabe an Erwachsene. Außerdem sollen der Erwerb und Besitz kleiner Mengen nur noch als Ordnungswidrigkeit und nicht mehr als Straftat behandelt werden.

Die Verfasser_innen beziehen sich in ihrem Papier unter anderem auf die 2013 gestartete Resolution von über 100 deutschen Staatsrechtsprofessor_innen. Darin wird die strafrechtliche Drogenprohibition als „gescheitert, sozial schädlich und unökonomisch“ bezeichnet und eine Überprüfung des Betäubungsmittelgesetzes gefordert.

SPD-Bundestagsfraktion: Prohibition und Strafverfolgung nützen nicht, sondern schaden

Drogenverbot und Strafverfolgung hätten nicht zum Rückgang des Cannabiskonsums geführt – der Konsum steige vielmehr ununterbrochen. Die Strafverfolgung führe aber dazu, dass Menschen gesellschaftlich stigmatisiert und durch soziale Ausgrenzung vielfach nicht erreicht werden könnten.

Die Verbotspolitik binde darüber hinaus enorme finanzielle und personelle Ressourcen, die an anderer Stelle bei Justiz und Polizei fehlten.

„Für die SPD-Bundestagsfraktion steht der wirksame Gesundheitsschutz für Konsument_innen, die Stärkung von Beratung und Prävention, bestmöglicher Kinder- und Jugendschutz, Kriminalitätsbekämpfung und Rechtssicherheit im Vordergrund einer neu auszurichtenden Drogenpolitik“, heißt es im Positionspapier.

Modellprojekte zur regulierten Cannabisabgabe sollen ermöglicht werden

Die Fraktion wolle deshalb „im ersten Schritt Modellprojekte zur regulierten Abgabe von Cannabis an Erwachsene … ermöglichen“. Viele Landesregierungen und Städte hätten bereits Anträge für modellhafte Erprobungen einer regulierten Abgabe gestellt, seien aber bisher immer am Einspruch des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte gescheitert.

Die SPD-Parlamentarier_innen im Bundestag wollen es nun den Kommunen freistellen, ob sie solche Modellprojekte ermöglichen wollen.

Außerdem solle, um kurzfristig Verbesserungen zu erreichen, der Besitz kleiner Mengen künftig nicht mehr strafrechtlich verfolgt, sondern nur noch als Ordnungswidrigkeit behandelt werden.

Erwerb und Besitz kleiner Mengen sollen künftig Ordnungswidrigkeiten sein

Dirk Schäffer, Drogenreferent der Deutschen Aidshilfe, begrüßt, dass Bewegung in die Debatte um die grundsätzliche Strafbewehrung des Erwerbs und Besitzes von illegalen Substanzen kommt.

„2018 gab es rund 200.000 Drogendelikte in Verbindung mit Cannabis. Meist geht es um den Erwerb oder Besitz kleiner Mengen. Die Folgen für die Konsument_innen sind oft dramatisch, zum Beispiel Hausdurchsuchungen, Führerscheinentzug, ein Eintrag ins Führungszeugnis oder der Ausschluss aus einigen Berufsfeldern.“

Man dürfe nicht vergessen, dass der Konsum von Cannabis für die allermeisten Menschen eine Episode auf dem Weg des Erwachsenwerdens sei und keine Schäden für andere verursache. „Die Strafbewehrung von Erwerb und Besitz macht hier aber keinen Unterschied und bedroht zehntausende Jugendliche und junge Erwachsene mit dem schärfsten Schwert, das das Recht bietet – ohne das angestrebte Ziel zu erreichen, nämlich den Konsum zu senken“, so Schäffer weiter.

Für die Zukunft müsse das Motto daher lauten: Hilfe statt Strafe, Regulierung statt Schwarzmarkt. 

(hs)

Quelle und weitere Informationen:

Cannabis: Neue Wege gehen! Positionspapier der SPD-Fraktion im Bundestag vom 11. Februar 2020

Deutsche Aidshilfe (2018): Eine moderne Drogenpolitik nützt allen. Eine Handreichung für die Politik

Expert_innen fordern Neuanfang der Drogenpolitik – auch für Tabak und Alkohol (Meldung zum Erscheinen des 6. Alternativen Drogen- und Suchtberichts auf aidshilfe.de vom 5. Juli 2019)

Internationale Leitlinien zu Menschenrechten und Drogenpolitik veröffentlicht (Beitrag auf magazin.hiv vom 16. März 2019)

Gesetzeshüter_innen fordern Entkriminalisierung von Drogengebraucher_innen (Meldung auf aidshilfe.de vom 6. März 2019)

„Ich glaube an den mündigen Bürger“: Interview mit dem ehemaligen Münsteraner Polizeipräsidenten Hubert Wimber (magazin.hiv, 21. Juni 2015)

„Ich bin für die Regulierung von Drogen“: Interview mit dem Suchtexperten Prof. Dr. Heino Stöver (magazin.hiv, 20. Juli 2012)