Schwester von heroinabhängigem Gefangenen verurteilt

Claudia Jaworski hatte ihrem heroinabhängigen Bruder ein Substitutionsmittel ins Gefängnis gebracht, weil ihm die Behandlung in der JVA Bernau in Bayern verweigert worden war. Am 15.6.2021 wurde sie vom Amtsgericht Rosenheim zu 60 Tagessätzen verurteilt.

Die Staatsanwaltschaft hatte 90 Tagessätze gefordert, die Verteidigung hatte auf Freispruch plädiert.

Missstände in bayerischen Gefängnissen

Laut einem Bericht des Bayerischen Rundfunks hatten Claudia Jaworski und ihr Anwalt Adam Ahmed die Verhandlung genutzt, um die strukturellen Missstände in bayerischen Gefängnissen im Hinblick auf die Substitutionsbehandlung und den Umgang mit Drogengebraucher*innen zum Thema zu machen. Von Menschenrechtsverletzungen und Folter sei die Rede gewesen.

Jaworskis Bruder habe vor Gericht als Zeuge ausgesagt, dass der Anstaltsarzt ihm die Substitution verweigert und ihm gesagt hätte, er solle sich „das Zeug doch auf dem Schwarzmarkt im Hofgang besorgen“. Verteidiger Adam Ahmed habe die Staatsanwaltschaft aufgefordert, diesem Vorwurf der Anstiftung zu einer Straftat strafrechtlich nachzugehen, heißt es im Bericht des Bayerischen Rundfunks weiter.

Richterin zeigte sich entsetzt über Umgang mit heroinabhängigen Gefangenen

In ihrer Urteilsbegründung habe sich die Richterin entsetzt über den Umgang der JVA mit dem Bruder gezeigt. Sie glaube, dass die Aussagen der Angeklagten der Wahrheit entsprächen. Dennoch habe sich Claudia Jaworski schuldig gemacht.

Claudia Jaworski und ihr Anwalt wollen nun Rechtsmittel gegen das Urteil einlegen und den Weg durch alle Instanzen gehen – bis zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.

Ein Interview, das die Deutsche Aidshilfe im Vorfeld der Verhandlung mit Claudia Jaworski geführt hatte, findet sich auf magazin.hiv.

Der Bayerische Rundfunk berichtete am 15.6.2021 ausführlich über die Verhandlung, ebenso die Süddeutsche Zeitung.

(CL)

„Für eine wissenschaftlich basierte Substitutionspraxis in bayerischen Haftanstalten“ – gemeinsames Positionspapier von Akzept e.V., Aidshilfen, Caritasverbänden, Fachberatungsstellen und weiteren (PDF)