Ein Plädoyer für die ehrenamtliche Begleitung

Kurz vor Weihnachten hat die DAH in ihrem Blog mit zwei einleitenden Statements eine Pro- und Contra-Diskussion zu der Frage gestartet, ob wir in den heutigen Zeiten noch Aids-Buddies brauchen.

Markus Wickert, Ehrenamtkoordinator der Berliner Aids-Hilfe, vertrat die Position, dass die Abschaffung eines solch zentralen Angebots der Aidshilfe-Arbeit, das sich an den in Zeiten besserer Therapiemöglichkeiten deutlich veränderten Bedürfnissen von Menschen mit HIV angepasst habe, ein Irrwitz wäre. Aus seiner Sicht gibt es noch immer einen Bedarf an nicht-professionalisierter Begleitung von Menschen, die Krisen durchmachen, isoliert sind, in Heimen oder Haftanstalten untergebracht sind, keine unterstützende Community haben und vielleicht schlicht ihre berechtigten Ansprüche nicht formulieren können.

Demgegenüber hat das Buddy-Konzept für Karl Lemmen, Referent für Psychosoziales und Qualitätsentwicklung der DAH-Bundesgeschäftsstelle, sein Verfallsdatum überschritten. In seinem zugespitzten Statement schrieb er von einer Gesellschaft, die zu einem normaleren Umgang mit den Positiven gefunden habe. Er forderte, das Geld besser in neue Projekte zu investieren, die z.B. Menschen dazu befähigen, ihr Leben wieder in die eigene Hand zu nehmen, und stellte die Frage in den Raum, ob die Aidshilfe auf dem Weg zur Normalisierung von HIV sich nicht den Verbänden chronisch Kranker annähern und sich etwas an der Rheuma-Liga orientieren müsste.

Dem Aufruf zur Diskussion sind viele Kommentatoren mit zum Teil sehr engagierten und persönlichen Beiträgen aus der Perspektive von ehrenamtlichen Begleiter(inne)n, hauptamtlichen Aidshilfe-Mitarbeiter(inne)en und Menschen mit HIV, die selbst begleitet werden, gefolgt. Die große Mehrheit hat sich Markus Wickerts Sicht angeschlossen, dass die Begleitung von Menschen mit HIV sich heute mit einem sehr breiten Angebot an die veränderten Bedingungen angepasst habe und weiter gebraucht werde, denn – wie Johannes es schreibt: „Wir müssen uns oft mit Vereinsamung und desaströsen Biographien auseinandersetzten und sind mitunter das einzige Tor zur ‚normalen’ Welt. Was wir mitbringen ist etwas, was die Hauptamtlichen und viel andere nicht haben: Zeit.“

Zum Abschluss der Diskussion hatten wieder die beiden vermeintlichen Kontrahenten das Wort, die ihr Ziel, mit der bewussten Zuspitzung ihrer Thesen eine lebendige Debatte zu entfachen, erreicht sehen. Karl Lemmen freute sich über das heftige Plädoyer für die Fortführung des Angebots, vertrat aber auch sein Anliegen, immer wieder zu hinterfragen, ob Aidshilfe noch das Richtige und Wichtige tut; Markus Wickert kam es darauf an, die Begleitungsarbeit als den gelebten Diversity-Ansatz in den heutigen Bedingungen aufzuzeigen, in denen es Maßgabe bleiben müsse, dass sich Begleiter/in und Begleitete/r auf Augenhöhe begegnen. Er bittet alle Aktivist(inn)en, den kritischen Blick auf die geleistete Arbeit beizubehalten und konstruktiv das Gespräch mit Aidshilfen zu suchen.

Die Diskussion ist nachzulesen im d@h_blog.