Paritätischer fordert Ende der Ungleichbehandlung von Strafgefangenen

Menschen in Haft und Sicherungsverwahrung sind in der Regel nicht kranken- und pflegeversichert, obwohl sie der Arbeitspflicht unterliegen und viele einer Tätigkeit nachgehen.

Auf diesen Missstand weist der Paritätische Gesamtverband in einem Positionspapier zum Thema Gesundheit und Haft hin.

Demnach bestehe Ungleichbehandlung nicht nur zwischen Inhaftierten und Nichtinhaftierten, sondern auch zwischen den Strafgefangenen selbst. Denn sogenannte Berufsfreigänger_innen, die einer Beschäftigung außerhalb der Justizvollzugsanstalt nachgehen, seien – wie alle anderen Bürger_innen und im Gegensatz zu Gefangenen, die im Vollzug arbeiten, – kranken- und pflegeversicherungspflichtig. Für den Paritätischen Gesamtverband ist dies ein klarer Verstoß gegen Artikel 3 des Grundgesetzes („Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich“) sowie gegen den Angleichungsgrundsatz in § 3 des Strafvollzugsgesetzes, wonach die Verhältnisse in Haft denen außerhalb des Vollzugs so weit als möglich angeglichen sein müssen.

Die Ausgrenzung aus staatlichen Sicherungssystemen habe für die Betroffenen gravierende Konsequenzen, so der Paritätische weiter. Zum einen entfalle das Recht auf die freie Arztwahl, was negative Auswirkungen auf das Arzt-Patient-Verhältnis wie auch die Qualität der Behandlung haben könne. Zum anderen seien nach der Haftentlassung unter anderem der Übergang in die gesetzliche Krankenversicherung mit Hürden und daher oft mit Behandlungsverzögerungen verbunden. Für substituierte Drogenabhängige bestehe deshalb die Gefahr, dass die Behandlung nicht nahtlos fortgesetzt werden kann.

Bereits im Strafvollzugsgesetz von 1976 war vorgesehen, Strafgefangene in die Versicherungssysteme einzubeziehen. Allerdings sind die entsprechenden Paragrafen nie in Kraft getreten. In seinem Positionspapier fordert der Paritätische Gesamtverband Bund und Länder auf, Strafgefangene und Sicherungsverwahrte in die gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) und Pflegeversicherung (SGB XI) aufzunehmen. Außerdem sei die medizinische Versorgung innerhalb der Justizvollzugsanstalten zu verbessern und stärker mit externen Gesundheitseinrichtungen zu vernetzen.

Die Deutsche AIDS-Hilfe (DAH) teilt die vom Paritätischen erhobene Kritik und schließt sich dem Forderungskatalog an: „Es ist wichtig und richtig, den Fokus auf die fehlende Kranken- und Pflegeversicherungspflicht zu legen. Schon seit Längerem fordert der Paritätische außerdem die Aufnahme von Gefangenen in die gesetzliche Rentenversicherung, auch diese Forderung teilen wir“, so Bärbel Knorr, fachliche Leitung des Bereichs „Strafvollzug“ der DAH. Sie hofft, dass sowohl auf Länder- als auch auf Bundesebene endlich Initiative ergriffen und dieser Missstand behoben wird.

Auch aufseiten der Inhaftierten regt sich Protest. Denn trotz formaler Arbeitspflicht gilt in Haft weder der gesetzliche Mindestlohn noch werden Sozialabgaben abgeführt. Auch arbeitsrechtliche Basisstandards wie Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und Kündigungsschutz existieren hinter Gittern nicht. Die 2014 in der Justizvollzugsanstalt Tegel gegründete Gefangengewerkschaft/Bundesweite Organisation (GG/BO) informiert am 19. Mai in Berlin im Rahmen einer Diskussionsveranstaltung über die Arbeitssituation in Haftanstalten (19 Uhr, DGB-Haus, Keithstraße 1–3, Raum 40).

(ascho)

Quelle:

Positionspapier zu Gesundheit und Haft des Paritätischen

Weitere Informationen:

„Es hakt immer dann, wenn’s teuer wird“ – Interview mit dem Kriminalwissenschaftler und Rechtssoziologen Prof. Johannes Feest