Österreich: Drei Jahre Haft für HIV-Positiven

Ein HIV-positiver Mann aus Wien muss für drei Jahre ins Gefängnis. Das Oberlandesgericht Wien hat ein im November 2011 ergangenes Urteil bestätigt.

Dem Verurteilten wird vorgeworfen, zwei Sexpartner wissentlich mit HIV infiziert zu haben. Beide hätten sich „im Vertrauen auf Ihr Wort zum Geschlechtsverkehr bereiterklärt“, erklärte Christian Dostal, der Vorsitzende des zuständigen Berufungssenats, bei der Urteilsverkündung an die Adresse des Beklagten.

Dieser hatte die Anschuldigungen stets zurückgewiesen. Im Falle eines 20 Jahre alten Sexpartners, den der 35-Jährige 2009 in einer Bar kennengelernte, habe er ein Kondom verwendet.

Das zweite angebliche Opfer, mit dem er eine mehrmonatige Beziehung führte, sei zum Zeitpunkt der Bekanntschaft bereits HIV-positiv gewesen. Daher habe man einvernehmlich auf Kondome verzichtet.

Das Gericht wollte dieser Version der Geschehnisse allerdings nicht folgen. Es verhängte eine dreijährige Haftstrafe und sprach den ehemaligen Sexpartnern eine Wiedergutmachung von 4.800 beziehungsweise 5.600 Euro zu. „Es ist eine recht harte Strafe, aber keine Strafe, die nicht schuld- und tatangemessen wäre“, kommentierte Dostal.

Im März hatte bereits das Vorarlberger Landgericht ein über die Landesgrenzen hinaus Aufsehen erregendes Urteil verhängt. Ein 17-Jähriger war zu drei Monaten Haft auf Bewährung verurteilt worden, weil er ein 16-jähriges Mädchen beim Oralverkehr über seine HIV-Infektion im Unklaren gelassen hatte.

Vor Gericht spielte nach Medienberichten keine Rolle, ob es zu einer Ejakulation gekommen war und ob der junge Mann überhaupt infektiös war. (HIV-Therapien führen in den meisten Fällen dazu, dass eine Übertragung so gut wie unmöglich ist.) Stattdessen erklärte der zuständige Richter Othmar Kraft in der Urteilsbegründung sogar: „Auch wenn ein Kondom verwendet worden wäre, würde dies nichts an der Strafbarkeit ändern.“

Das Urteil steht damit im Widerspruch zu einer Entscheidung des obersten österreichischen Gerichtshofs, der 1997 klarstellte, dass HIV-Positive mit Kondom straffrei Sex praktizieren können. 2003 wurde daher auch ein Richterspruch aufgehoben, mit dem ein HIV-positiver Kärntner für Oralverkehrs ohne Kondom verurteilt worden war.

Das Oberlandesgericht Graz hatte im Wiederaufnahmeverfahren festgestellt, dass Oralsex ohne Ejakulation in den Mund den Safer Sex Regeln entspricht und daher nicht den Tatbestand der „Gefährdung von Menschen durch übertragbare Krankheiten“ erfülle.

Die Deutsche AIDS-Hilfe lehnt die Strafbarkeit der HIV-Übertragung generell ab. Diese bürdet HIV-Positiven einseitig die Verantwortung auf und trägt zur Verbreitung von HIV bei. Unter dem Titel „Keine Kriminalisierung von Menschen mit HIV!“ hat die Deutsche AIDS-Hilfe dazu am 16.3. ein Positionspapier veröffentlicht.

(sho)

Weiterführende Links:

Positionspapier der Deutschen AIDS-Hilfe "Keine Kriminalisierung von Menschen mit HIV!" (PDF)

Dossier zum Thema "HIV und Strafrecht"

"Der Standard" über das Urteil des Wiener Oberlandesgerichts

Der ORF über das Urteil des Vorarlberger Landgerichts

Der ORF über die Reaktion der Vorarlberger Aidshilfe

Stellungnahme der Österreichen Gesellschaft für Sexualforschung auf ondamaris