Nationaler AIDS-Beirat: „ANST“-Vermerk weder erforderlich noch angemessen

In seinem Votum vom 5. April 2016 empfiehlt der Nationale AIDS-Beirat (NAB), die Speicherung von Angaben zu Infektionen mit HIV sowie Hepatitis B und C in polizeilichen Datenbanken zu beenden.  

Der NAB, ein unabhängiges Beratungsgremium des Bundesministeriums für Gesundheit, wendet sich damit gegen den Zusatz „ANST“ (für „ansteckend“), mit dem personenbezogene Daten von Bürger_innen in den polizeilichen Informationssystemen versehen werden. Dies geschieht ausschließlich bei Infektionen mit HIV oder Hepatitis B und C.

Grundlage dieser Praxis sind Bestimmungen in den Polizei- und Ordnungsgesetzen der Bundesländer, mit denen Polizist_innen und Rettungskräfte bei der Dienstausübung vor Infektionsgefahren geschützt werden sollen.

Der NAB unterstütze nachdrücklich das Anliegen, das Risiko einer Infektionsübertragung durch geeignete Maßnahmen zu minimieren, heißt es in dem Votum. Er bezweifle jedoch, dass diese Maßnahmen auf gesicherten medizinischen Kenntnissen beruhen und für die Gesundheit der Bediensteten erforderlich und angemessen sind.

So stellten beispielsweise Kratz- und Bisswunden oder andere Wunden kein relevantes HIV-Risiko dar. Das Wissen um eine HIV-Infektion sage außerdem nichts über die Infektiosität der betreffenden Person aus, weil das Virus bei erfolgreicher medizinischer Therapie „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ nicht mehr übertragen werde. Dies treffe auf die überwiegende Zahl aller mit einer HIV-Diagnose lebenden Menschen in Deutschland zu.

Auch die Kenntnis einer bestehenden Infektion mit Hepatitis B oder C ermögliche keinen Rückschluss auf ein derzeit real bestehendes Infektionsrisiko. Das Speichern entsprechender Informationen unter dem Kürzel „ANST“ trage daher nicht zum Schutz der Bediensteten bei und berge das Risiko von Fehleinschätzungen.  

Der NAB weist zugleich darauf hin, dass das Erheben und Verwenden medizinischer Informationen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung berührt. Eine befürchtete Stigmatisierung durch die Speicherung hochsensibler gesundheitsbezogener Daten in Polizeidatenbanken beeinträchtige außerdem die Testbereitschaft und den offenen Umgang mit der Infektion. „Dies widerspricht den Prinzipien und Zielsetzungen der Infektionsprävention“, so der NAB.

(Christine Höpfner)

Quelle: 

Votum des NAB vom 05. April 2016