Mittwoch, 23.2.: Zwangsouting von HIV-Positiven in NRW-Gefängnissen abschaffen!
Am 23. Februar wird der nordrhein-westfälische Landtag über einen Antrag der FDP beraten, das Zwangsouting HIV-positiver Gefangene zu beenden (Drucksache 15/1324). Die FDP-Fraktion schließt sich damit der Forderung der AIDS-Hilfe NRW und der Deutschen AIDS-Hilfe an (aidshilfe.de berichtete).
Seit 1987 müssen HIV-infizierte Häftlinge in NRW ihre Infektion offenlegen, wenn sie am „Umschluss“ teilnehmen wollen, also andere Gefangene in deren Zellen besuchen oder selbst Besuch bekommen möchten. Der nordrhein-westfälische Justizminister Thomas Kutschaty (SPD) hält diesen Weg nach wie vor für richtig – dies zumindest berichtete die Frankfurter Rundschau. Kutschatys Sprecherin Andrea Bögge sagte der Zeitung zufolge, das Schutzinteresse der Mitgefangenen sei in diesem Fall wichtiger als die Persönlichkeitsrechte der Infizierten. Die Gefangenen hätten außerdem die Wahl, auf ihrer Zelle zu bleiben.
Sven Wolf (SPD), Rechtsanwalt und Sprecher des Rechtsausschusses des Landtages in NRW, betonte in einem Telefongespräch mit der Deutschen AIDS-Hilfe, es handle sich hier um ein sensibles Thema – nicht nur für die Gefangenen, sondern auch für die Bediensteten. Man werde die Praxis aber bei den Beratungen im Rechtsausschuss „hinterfragen“. Dabei sollten auch die Erfahrungen aus den Haftanstalten und medizinischer Sachverstand berücksichtigt werden.
Die Aidshilfen kritisieren die bundesweit einmalige Regelung als Zwangsouting und als Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. „Das Argument, HIV-positive Gefangene könnten ja auf ihren Zellen bleiben, ist zynisch“, sagt Bärbel Knorr von der Deutschen AIDS-Hilfe. Gegenüber der Frankfurter Rundschau erklärte sie: „Wir wissen aus Erfahrung, dass geoutete Inhaftierte diskriminiert und gemieden werden.“ Jeder Betroffene müsse aber „für sich entscheiden können, ob er seine Erkrankung öffentlich macht“.
Außerdem schütze die NRW-Regelung die Mitgefangenen nicht vor einer Infektion, so Bärbel Knorr. „Diese Begründung war schon 1987 falsch. Fakt ist und bleibt: HIV ist ein schwer übertragbarer Erreger, mit dem man sich bei alltäglichen sozialen Kontakten nicht ansteckt, auch in Haft nicht. Schutz vor HIV-Übertragungen bieten Kondome und sterile Spritzen. Ein Zwangsouting könne dazu führen, dass sich Gefangene nicht auf HIV testen oder behandeln lassen. Außerdem bestehe die Gefahr, dass sich Mithäftlinge in falscher Sicherheit wiegen und auf Schutzmaßnahmen verzichten – zum Beispiel nach dem Motto: „Solange ich nicht über die Infektion eines Gefangenen informiert werde, kann ich davon ausgehen, dass er nicht infiziert ist.“
(hs)
Quellen/weitere Informationen:
Tagesordnung für die Sitzung des Landtags NRW am 23.2.2011
Beitrag von Annika Joeres in der Frankfurter Rundschau vom 21.2.2011