Am Ende des Lebens angekommen

Sein Tod kommt nicht überraschend. So offen, wie Bernd Aretz bereits in den achtziger Jahren sein Schwulsein und seine HIV-Erkrankung behandelte, so selbstverständlich und klar hatte er im Zuge seiner fortgeschrittenen Erkrankung in den vergangenen Monaten auch gegenüber seinen Freund_innen und Weggefährt_innen sein bevorstehendes Sterben thematisiert. Am Dienstag ist Bernd Aretz nun im Alter von 70 Jahren gestorben.

Für ein lustvolles Leben trotz HIV

Mit ihm verliert die Aidshilfe nicht nur einen über Jahrzehnte engagierten, immer wieder auch streitbaren und auf produktive Weise unbequemen Aktivsten. Bernd Aretz hat durch sein vielfältiges und anhaltendes Engagement in den unterschiedlichsten Bereichen Menschen mehrerer Generationen geprägt, begeistert und beflügelt - nicht zuletzt als Vorstand der AIDS-Hilfen in Offenbach und Frankfurt bzw. der Deutschen AIDS-Hilfe. Von 1990 bis1992 und 1994 bis 1996 gehörte er zum Vorstand des Dachverbandes.

fünf Männer nebeneinander in einer Schwarz-Weiß-Fotografie

DAH-Bundesvorstand 1990 mit Bernd Aretz (06.07.1948 - 23.10.2018), Hans-Peter Hauschild (02.09.1954 - 04.08.2003 ), Reinhard Heikamp, Guido Vael, Helmut Ahrens (v.l.n.r.)

Bernd Aretz: Bürgerlich-autonome Tunte und Anwalt für Sozialrecht

Bernd Aretz, der sich selbst oft als „bürgerlich-autonome Tunte“ bezeichnete, hatte sich gleich zu Beginn der Aidskrise vehement und selbstbewusst für ein lustvolles Leben mit bzw. trotz HIV/Aids und gegen die Stigmatisierung aller Menschen mit HIV eingesetzt. Als erfahrener Fachanwalt für Sozialrecht war er zudem ein stets kompetenter und fordernder Experte etwa im Bereich Kriminalisierung von Drogenkomsument_innen und von Menschen mit HIV.

Sein Wissen und sein seinen reichen Erfahrungsschatz setzte er nicht nur als Mitglied im Nationalen AIDS-Berat ein. Auch als Redner, auf Podien und in zahlreichen Artikeln hat Bernd Aretz immer wieder Zusammenhänge und Hintergründe zu aktuellen Themen rund um HIV erklärt, Forderungen formuliert und die Gesundheits- und Rechtspolitik wie die HIV-Community kritisch begleitet. Für magazin.hiv bleiben Bernd Aretz‘ Beiträge eine bedeutende Bereicherung.  In seinen Büchern „Annäherungen“ (1995) und „Notate. Aus dem Leben eines HIV-infizierten schwulen Mannes“ (1997) reflektierte er klug und lebensnah seinen Umgang mit der Erkrankung. 2017 ehrte ihn die Deutsche AIDS-Stiftung für sein publizistisches Lebenswerk mit einem Sonderpreis. Bereits 1994 war er vom Hessischen Ministerpräsidenten für seine Verdienste in der Gesundheitserziehung mit der Bernhard-Christoph Faust-Medaille ausgezeichnet worden.

„Wir haben Bernd so unglaublich viel zu verdanken"

Die Deutsche AIDS-Hilfe verliert mit ihrem Ehrenmitglied Bernd Aretz einen in vielerlei Hinsicht einmaligen und unersetzlichen Freund, Kollegen und Weggefährten. „Wir haben Bernd so unglaublich viel zu verdanken, als Community, als Deutsche AIDS-Hilfe, aber auch ich ganz persönlich“, erklärt DAH-Vorstand Björn Beck. „Er hat uns klug und unnachgiebig zum Nachdenken gebracht und so immer wieder wichtige Impulse gegeben. Freiheit und Selbstbestimmung waren seine großen Anliegen – so hat er gelebt, und so ist er gegangen.“

Zu Bernd Aretz' Vermächtnis gehört seine Botschaft im Rahmen einer LGBT*-Kampagne des Präventionsprojekts Hessen ist geil: „Ich bin am Ende meines Lebens angekommen, und meine Zukunft versauen diese Braunen nicht mehr. Lasst Euch Eure Zukunft nicht kaputtmachen und trefft deshalb kluge Entscheidungen!“

Alle, die sich mit Bernd Aretz verbunden fühlten, sind eingeladen, sich in einem virtuellen Kondolenzbuch einzutragen.

Die Trauerfeier am Sarg findet am Freitag, den 2. November, um 14.00 Uhr in Frankfurt in der Alten Nikolaikirche am Römerberg 11 statt. Im Anschluss lädt die AIDS-Hilfe Frankfurt zum Trauercafé im Switchboard (Alte Gasse 36) ein. Die Urnenbeisetzung auf dem Alten St. Matthäus-Friedhof in Berlin folgt zu einem späteren Zeitpunkt.

(ascho)

Weiterführende Beiträge:

„70 Jahre zwischen Federboa und Trauerflor“. Zum 70. Geburtstag von Bernd Aretz