Drogen- und Suchtbericht der Bundesregierung 2016 vorgestellt
Die Zahl der registrierten Erstkonsument_innen synthetischer Drogen nimmt seit 2010 stetig zu. Zudem wurden 2015 wieder deutlich mehr drogenbedingte Todesfälle registriert.
Das geht aus dem Drogen- und Suchtbericht hervor, den die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Marlene Mortler, heute vorstellte.
Demnach ist 2015 die Gesamtzahl der polizeilich zuvor nicht erfassten Konsument_innen sogenannter harter Drogen im Vergleich zum Vorjahr um fast 4 Prozent gestiegen. Nur bei Crystal Meth sei erstmals ein Rückgang festzustellen.
Die mit Abstand größte Zahl (11.765) machten Erstkonsument_innen von Amphetamin aus (2014: 11.356; +3,6 %). Nach jahrelangem rückläufigen Trend wuchs zudem die Zahl derer, die erstmals mit Heroinkonsum registriert wurden, um fast 15 Prozent. Insgesamt waren es 1.888 registrierte Heroin-Erstkonsument_innen. Auch die Zahl der Kokain-Erstkonsument_innen stieg um 6,5 Prozent auf 3.149 an.
Wie bereits im März bekannt wurde, wurden letztes Jahr 1.226 drogenbedingte Todesfälle registriert. Damit stieg die Zahl der Drogentoten um fast 20 Prozent im Vergleich zu 2014. Trotz dieser Entwicklung beschrieb Marlene Mortler in ihrer Pressemitteilung „die Lage rund um illegale Drogen“ als „stabil“.
Erfolge verzeichnet der Bericht vor allem im Hinblick auf Alkohol und Tabak: So sei der Pro-Kopf-Konsum von reinem Alkohol seit 1980 um fast drei Liter zurückgegangen. Sogenanntes Rauschtrinken bei Jugendlichen nehme ab. Beim Tabakkonsum sei der Trend ebenfalls rückläufig. Zwar rauchten noch immer knapp ein Viertel der Deutschen, doch bei den 12–17-Jährigen seien es nur noch 7,8 Prozent – ein „historischer Tiefstand“, so die Drogenbeauftragte. Dennoch sterben Schätzungen zufolge in Deutschland immer noch pro Jahr zwischen 42.000 und 74.000 Menschen an den Folgen ihres Alkoholkonsums oder des kombinierten Konsums von Tabak und Alkohol.
In ihrem Bericht geht Frau Mortler auch auf Maßnahmen der Schadensminimierung ein – neben Prävention, Beratung und Behandlung sowie Repression die „vierte Säule“ der nationalen Drogen- und Suchtstrategie: „Ansätze wie die Substitutionsbehandlung, Safer Use, Drogenkonsumräume und Spritzentauschprogramme finden heute breite Anerkennung und tragen dazu bei, Konsumenten aufzuklären und Suchtkranke gesundheitlich und sozial zu stabilisieren“, heißt es dort. In einer Übersicht werden die Standorte und Adressen aller Drogenkonsumräume in Deutschland gelistet. Auf den Fakt, dass es in zehn der 16 Bundesländer keine Drogenkonsumräume gibt, wird allerdings nicht eingegangen.
„Genau das ist das große Defizit des Drogen- und Suchtberichts der Bundesregierung“, sagt Dirk Schäffer, Referent für Drogen- und Strafvollzug der Deutschen AIDS-Hilfe. „Der Bericht liefert keinerlei Erklärung, warum die Versorgung mit Konsumräumen nicht ausgebaut wird. Zudem werden andere wirksame Maßnahmen zur Schadensminimierung komplett ignoriert: Bei einem Anstieg der Drogentodesfallzahl um fast 20 Prozent muss der Bericht auch Wege aufzeigen, wie diese Zahl wieder gesenkt werden kann. Hier könnte die Ausgabe des Notfallmedikaments Naloxon an medizinische Laien einen bedeutenden Beitrag leisten, doch das wird nicht einmal erwähnt.“
Kritik an der Drogenpolitik der Bundesregierung übt auch der Alternative Drogen- und Suchtbericht, der bereits am Montag veröffentlicht wurde und seit drei Jahren vom akzept-Bundesverband, von der Deutschen AIDS-Hilfe und dem Selbsthilfe-Netzwerk „JES“ herausgegeben wird. Dieser fordert einen Kurswechsel – weg von der Strafverfolgung, hin zu einer staatlichen Regulierung von Drogen – sowie die flächendeckende Einführung von Drogenkonsumräumen, die Verfügbarkeit des Notfallmedikaments Naloxon sowie andere Maßnahmen zur Schadenminimierung wie Drugchecking und Spitzenvergabe in Haft.
Der Drogen- und Suchtbericht der Bundesregierung wird jedes Jahr von der Drogenbeauftragten herausgegeben. Er stellt aktuelle Daten und Fakten zu Alkohol, Tabak, Medikamenten und illegalen Drogen sowie zu pathologischem Glücksspiel, Computerspiel- und Internetabhängigkeit vor und präsentiert Beispiele der praktischen Drogen- und Präventionsarbeit in Deutschland und international.
(Christina Laußmann)
Quelle:
Pressemitteilung der Bundesdrogenbeauftragten vom 9.6.2016