Dritter Fall einer HIV-Infektion unter funktionierender PrEP
Ein Teilnehmer der AmPrEP-Studie hat sich aus bisher ungeklärten Gründen trotz funktionierender Prä-Expositions-Prophylaxe mit HIV infiziert. Die extrem seltenen Infektionen zeigen: Die PrEP bietet einen hohen, aber keinen 100%igen Schutz.
Vorgestellt wurde der Fall auf der Conference on Retroviruses and Opportunistic Infections (CROI) in Seattle. Er weist zwei Besonderheiten auf:
Zum einen lagen bei dem übertragenen Virus, anders als bei den beiden bislang dokumentierten Fällen einer Infektion unter PrEP, keine Resistenzen gegen die im PrEP-Medikament Truvada enthaltenen Wirkstoffe Tenofovirdisoproxilfumarat (TDF) und Emtricitabin (FTC) vor.
Zum anderen konnten zunächst keine Virusbestandteile (Antigene) und keine Virus-Erbubstanz (HIV-RNA) nachgewiesen werden – selbst durch Punktion der rektalen Schleimhaut nicht –, wohl aber Antikörper gegen HIV. Normalerweise können zuerst Antigene und HIV-RNA und etwas später Antikörper nachgewiesen werden.
Truvada scheint also zum Zeitpunkt des ersten Tests die Virenvermehrung erfolgreich unterdrückt zu haben, nicht jedoch die Antikörperbildung.
Die Forscher_innen entschieden sich zum Absetzen der PrEP, und drei Wochen später konnte auch HIV-RNA nachgewiesen werden. Anschließend wurde sofort eine HIV-Kombinationstherapie begonnen, und schon einen Monat später lag die Viruslast (= die Zahl der Viren im Blut) wieder unter der Nachweisgrenze.
Der Mann hatte nach eigenen Angaben täglich eine Truvada-Tablette genommen; dafür sprechen auch Messungen der Wirkstoffspiegel in den Monaten 6 und 8.
Ebenfalls nach eigenen Angaben hatte er mit bis zu 75 Sexpartnern pro Monat Analverkehr ohne Kondom, und er konsumierte Drogen wie Amphetamine, Kokain, GHB/GBL, Mephedron und Ketamin beim Sex. Außerdem hatte er zweimal im Laufe seiner Studienteilname eine rektale Gonorrhö und einmal eine rektale Chlamydien-Infektion.
Warum er sich trotz funktionierender PrEP und nicht vorliegender Resistenzen infizierte, ist bisher unklar. Die Forscherinnen Elske Hoornenborg und Godelieve de Bree stellten folgende, nach ihren eigenen Angaben spekulative Möglichkeiten zur Diskussion:
- die hohe Zahl von HIV-Risikokontakten des Mannes und/oder
- Schäden an der Enddarm-Schleimhaut des Mannes oder
- niedrigere TDF/FTC-Wirkspiegel in der Enddarmschleimhaut.
Armin Schafberger, Medizinreferent der Deutschen AIDS-Hilfe, sieht die PrEP durch diesen und die beiden anderen Fälle einer Infektion nicht in Frage gestellt, auch wenn sie – wie das Kondom – keinen hundertprozentigen Schutz biete.
Die bisher extrem seltenen Fälle einer HIV-Infektion unter funktionierender PrEP zeigten allerdings erneut, wie wichtig regelmäßige HIV-Tests seien und dass die Interpretation der Testergebnisse unter Umständen komplizierter werden könne.
(ascho/hs)
Weitere Informationen
Informationen zur HIV-PrEP auf aidshilfe.de
Zweiter Fall einer HIV-Infektion unter PrEP dokumentiert (Meldung auf aidshilfe.de vom 19.10.2016)